Mittwoch, 17. Oktober 2012

KOMMENTAR NACH FRIEDENSPREIS AN DIE EU

HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH EU (!), ABER:

ES IST AUCH AN DER ZEIT FÜR GROSSBRITANNIEN DIE UNION ZU VERLASSEN!
 
 

Zuweilen wundert man sich schon über die Preisvergabe des Nobelkomitees; ein Schriftsteller mit recht bedenklicher Nähe zu einem Regime erhält den Preis, das ansonsten notorisch ihm unbequeme Preisträger totschweigt, angreift oder gar einsperrt; ein Staatenbund wird als Organisation für Frieden ausgezeichnet, dessen besondere Leistung in dieser Hinsicht sich zumindest nicht auf den ersten Moment erschließt.

Die Nobelpreise für Literatur und Frieden sind - anders als diejenigen für wissenschaftliche Leistungen - immer eine subjektive Auslegungsgeschichte bis hin zu eben Geschmacksache. Der eine vollzieht es nach, der andere findet es unmöglich. Als z.B. Barack Obama den Friedenspreis in 2009 bekam, war damit die Hoffnung auf zukünftiges Wirken des damaligen Visionärs verbunden. Heute wissen wir: das Amt eines amerikanischen Präsidenten gibt so etwas nicht her. So gab und gibt es viele Ehrungen, die häufig dann enttäuschten, wenn sie in aktuelle Situationen hinein vergeben wurden. Beispiele sind z.B. der Nahost-Friedensprozess (Arafat/Rabin/Peres), Überwindung der Apartheid (Mandela/de Klerk) etc. und heuer eben die EU gewissermaßen als Preisabenteuer.

Da die EU sich in jüngerer Zeit nicht als erfolgreicher Friedensstifter aktueller Konflikte der Welt ausgezeichnet hat, verstehe ich den eben Preis so, dass er sich auf die Friedensleistung der europäischen Situation selbst bezieht. Jetzt, fast 70 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges, ist eine kriegerische Auseinandersetzung im Ausdehnungsgebiet der EU nahezu undenkbar geworden. Das gilt ebenso auch für politische oder wirtschaftliche Nachbarn sowie sogar Kontrahenten. Der Preis will würdigen, dass ein kriegerischer Konflikt weder innerhalb der EU mehr stattfinden kann, noch z.B. mit Russland oder einem anderen Nachbarn durch die EU motiviert stattfinden wird. - Persönlich gebe ich gerne auch dem Gedanken und der Hoffnung Ausdruck, dass hier gar in einer der blutigsten Regionen der Menschheitsgeschichte der Krieg erstmalig endgültig und hoffentlich für immer abgeschafft werden konnte. So wahrgenommen, ist dies dann durchaus schon einen Friedensnobelpreis wert.

EINVERSTANDEN?!

In Großbritannien offensichtlich nicht! Dort finden sich quer durch die Medien, durch die Politik und durch die Gesellschaft Stimmen, welche den diesjährigen Friedenspreis an die EU mit Häme, Spott, Negativkommentaren sowie Verunglimpfungen überziehen. Eine kurze Zusammenfassung findet sich in diesem Artikel auf Spiegel-Online:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/euro-skeptiker-wettern-gegen-friedensnobelpreis-an-eu-a-861032.html

ICH WUNDERE MICH NICHT ÜBER DIE BRITEN

Was soll's könnte man gelassen sagen. Die Briten sind ja nie dabei, wenn es darum geht die europäische Integration voran zu bringen oder etwas zu würdigen, was Europa geschafft hat. - Trotzdem! Ich mag mir das einfach nicht immerzu bieten lassen: Der britische Sonderbeitritt zur EG 1973 (Formel: Vorteile Ja, Pflichten Nein) war schon ein sehr spezielles und teures Ding, das destruktive Verhalten im Rahmen der dt. bzw. auch europäischen Einigung kaum mehr erträglich über die letzten beiden Jahrzehnte und bis hin zu den Verhaltensweisen bei Euro- (ohne eigene Teilnahme)/Bankenkrise und EU-Verfassung im Grunde längst nicht mehr hinnehmbar. Großbritannien ist nicht und war nie an einer europäischen Integration bzw. an einer echten EU interessiert und wird es auch absehbar nicht sein. Dieser nur geographisch in Europa verortete Staat versteht sich aus eigenen historischen Gründen nach wie vor in einer anderen Rolle, ... nämlich dem eigenständigen souveränen "Global-Player" im Sinne des Mitte letzten Jahrhunderts vergangenen Empires, dessen Verlust im Denken dieser Nation trotz des nachfolgenden Commonwealth bis heute nicht aufgearbeitet wurde. Viele Verhaltensmerkmale und Traditionsrituale belegen es.

Anders ausgedrückt: Großbritannien ist nur Mitglied der EU um dort zu verhindern, dass in seiner direkten europäischen Nachbarschaft die tatsächliche Integration der Kontinentalstaaten stattfindet und so eine aus seiner Sicht neue Großmacht nicht entstehen kann, welche den (ehedem und historisch) globalen Einfluss Großbritanniens nur schmälern oder ihm gar gefährlich würde. Bemäntelt ist das alles mit dem historischen Wirken gegen Hegemonialmächte auf dem Kontinent (Habsburg/Spanische Armarda/16. Jhdt. - Napoleonische Kriege - 1. & 2. Weltkrieg).

DER VERSUCH GROSSBRITANNIEN IN DEN EUROPÄISCHEN PROZESS EINZUBINDEN BZW. ZU INTEGRIEREN IST LÄNGST GESCHEITERT.

Wie schon der Eklat in 2011 zur Fiskalunion (siehe auch http://themenwoche.blogspot.de/2011/12/zwischenruf-zum-britischen-anti-eu.html) hat die britische Reaktion auf den Friedenspreis erneut deutlich gemacht, dass diese EU-Partnerschaft eine Fehlkonstruktion ist. Die Bemühungen der kontinentaleuropäischen Staaten sind schon lange gescheitert Großbritannien in ihre Integration einzubeziehen. Es gab noch keinen EU-Austritt bisher; allerdings wäre dies in diesem Fall für beide Seiten eine gute Chance zu Fortschritt und tatsächlich weiterer Integration. Außerhalb der EU erwiese sich Großbritannien möglicherweise als besserer und konstruktiverer Nachbar als innerhalb. Das Wahrnehmen der eigenen Interessen würde für alle besser passen und das unangenehme bis destruktive Zerstören von Prozessen könnte aufhören.

Zusätzliche Bedingung: Auf der Insel müsste ein bisschen Vertrauen einsetzen, dass die Zusammenarbeit von Deutschen und Franzosen (und/oder anderen) auf dem Kontinent innerhalb der EU keine existenzielle Gefahr für Großbritannien bedeuten (... sondern höchstens Partnerschaft).

DER PREIS SOLLTE CHANCE UND IMPULS SEIN


Klar, ... die Eurozone war zu weit gewählt, die Erweiterungen der EU zu schnell vorgenommen worden. - Aber gerade diese Dinge haben trotz der der z.B. kaum zu stemmenden Wirtschaftsgefälle wichtige Zeichen gesetzt.

Europa könnte diesen Preis zum Anlass nehmen, nächste Entwicklungsschritte in Angriff zu nehmen:

+ Mit der Arbeit an der Aufnahme der Staaten des ehemaligen Jugoslawien wäre die EU als Staatenbund mehr oder weniger komplett (die Türkei z.B. sollte meiner Meinung nach eher an einem ähnlichen Modell in Richtung  Middle East arbeiten).

+ Die Irrtümer und durchaus politischen Konstruktionsfehler des Euro werden gerade schmerzlich bearbeitet. - Spätestens  wenn das erledigt sein wird, sollten alle EU-Länder am Euro teilnehmen und sich diesbezüglich überwinden; es wird das entscheidende Fanal von der bisherigen EU hin zu den Vereinigten Staaten von Europa sein. Nicht wie die die USA, sondern als Bund von Nationen auf einem vergleichsweise engen Kontinent.

+ Der Friedenspreis für die EU dokumentiert:  Krieg in Europa ist abgeschafft und überwunden worden! - Nur folgerichtig könnte und sollte die EU daraus einen weiteren Schritt verfolgen. Warum besitzen sämtliche Staaten der EU eigenes Militär und Heere bzw. wenden jeweils einen übergroßen Anteil ihres BSP/Haushalts auf, um diese zu unterhalten?!

Das ist doch nichts anderes als ein Wahnsinn aus alter europäischer Vielstaaterei, der zu nichts mehr gut ist. Wenn wir eine gemeinsame Währung und einen Markt haben können, wenn wir Außengrenzen im Rahmen eines Schengen-Abkommens haben können und in Zukunft vielleicht noch viel mehr, dann brauchen wir sicher keine 27 Einzelarmeen mehr, sondern könnten stattdessen auch mit einer EU-Truppe auskommen. - - ... Bis diese Militärsache überhaupt einmal unnötig wird. Angebrachte Polizeifunktionen leisten auch das Ihre. Was meint Ihr? Wenn Europa Schule macht, ist das doch so unmöglich nicht.

Die Regionen der Welt benötigen etwas Zeit und viel Engagement. Undenkbar aber ist das nicht: Afrika, Nord- & Mittelamerika, Südamerika, Middle East, Asien in mehreren Zonen, Ozeanien. Vorlaufende Ansätze von solchen Bündnissen und Organisationen gibt es längst; der Weg der EU kann dabei zum Vorbild werden oder zumindest als Beispiel dienen.

Nach anfänglicher Verwunderung erklärt sich der diesjährige Friedenspreis schnell auf eine Weise, die wir alle sehr persönlich erleben und nachvollziehen können:

Mein Vater kehrte nach dem Krieg ein Jahr vor dem Abitur stehend mit seiner Familie aus dem bayerischen Regensburg (der Großvater arbeitete dort bei Messerschmidt) ins heimische Saarland zurück. Ein Gymnasium gab es in Saarbrücken aber nicht mehr, sondern damals nur die frz. Schule, das "Lycée Maréchal-Ney" (heute: dt.-frz.-Gymnasium). Er wagte es und schaffte den Abschluss ohne vorherige Kenntnisse der frz. Sprache! Dies und das anschließende Studium in Nancy prägten ihn und später uns als seine Familie nachhaltig im Sinne eines schon vorweggenommenen Stück Europas.

Meine französische Freundin Claude stammt aus einer Region am Mittelmeer. Ihr Vater wurde 1943 unter Gewaltandrohung gegen die Familie zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert und überstand diese Zeit dort nach den Gesetzen, die das Überleben diktiert. 20 Jahre später suchte er in Deutschland nach den Menschen, die freundlich zu ihm gewesen waren und denen er sich trotz allem verbunden fühlte. So kam die Claude nicht nur zur deutschen Sprache, sondern auch zu Überzeugungen, welche die europäische Integration und die EU lange vor der tatsächlichen Zeit vorwegnahmen.

Wir trafen erstmalig Mitte der 80er Jahre intensiv aufeinander. Als später die Grenzschranken zwischen unseren Ländern und Kulturen gefallen waren, und als wir mit dem Euro sogar dasselbe Geld in der Börse hatten, war es mit dem Gefühl fast wie bei einem historischen Wunder (trotz dem Wissen um die üblichen Geschäftemacher der Währungsumrechnung auch diesmal). Europa kommt zusammen und ist nicht mehr auseinanderdividierbar. Für Claude und mich ist dies das Größte und Entscheidende. - Selbst all die Folgen der mitunter peinlichen Konstruktionsfehler in der Krise jetzt bringen das Projekt als solches längst nicht mehr zu Fall.

Dieses vereinigte und integrierte Europa ist ein besonderer Weg und eine besondere Geschichte, welche in der Zukunft eine ganz herausragende Wertschätzung zur globalen Entwicklung einnehmen wird. Darin sind sich Claude und ich nicht nur einig, sondern vor dem Hintergrund unserer Herkunft auch sicher!

Der Nobelpreis für EUROPA ist nicht nur sehr angebracht, er gehört auch zu den im Thema wertvollsten Auszeichnungen bisher. - MACHEN WIR ALLE MITEINANDER NOCH MEHR DRAUS!

Dienstag, 10. Juli 2012

SCHAFFT ENDLICH DAS WORT ZUM SONNTAG AB (KW 28 / 2012)



... oder reformiert wenigstens das Format! - Lasst nicht nur Pfarrer und Pastoren zu Wort kommen, sondern auch Künstler, Philosophen, Rabbiner, Intellektuelle, Umweltschützer, Imame oder nur mal den Nachbarn zwei Häuser weiter, wenn er ein ordentliches Thema mitbringt.

Zwischenempörung zum "Wort zum Sonntag" vom 23. Juni 2012 von Frau Dr. Adelheid Ruck-Schröder. Ihr Thema: Die Organspenderausweise, welche in diesem Sommer an die Versicherten verschickt werden.

Um gleich zur Sache zu kommen, diese Dame versichert zum Schluss ihrer 5 Minuten den christlichen Mitbürgern kein schlechtes Gewissen haben zu müssen, wenn man den Spenderausweis nicht ausfülle!

Die Begründung zu dieser ungeheuerlichen Empfehlung verpackt sie sehr geschickt in ein Gemisch aus Bedenkenträgertum zum Begriff des Lebens, medizinischen Definitionen (Hirntod) und natürlich sogenannten christlichen Argumenten wie "Tod akzeptieren", "Unverwechselbar- und Einmaligkeit des Geschöpfes" etc. Ich sage bewusst "sogenannte Christenargumente", denn ich für mein Teil ziehe schon da in Zweifel, dass irgendwelche gesamtmenschlichen Grundpositionen oder Eigenschaften dem christlichen oder anderen Glaubensformen exklusiv angehören können. Zu viel Leid ist im Rahmen solcher Behauptungen schon über die Welt gekommen.

Im weiteren stellt Frau Ruck-Schröder indirekt die Frage danach, wann ein Mensch wirklich tot sei und macht das sehr geschickt, in dem sie ihre Aussagen so formuliert, dass sie von Medizinern, Wissenschaftlern und Befürwortern der Organspende nicht der Unwahrheit bezichtigt werden kann. Dennoch implizieren ihre Aussagen sehr deutlich, dass Gottes Geschöpf nicht "zerlegt" werden soll, um ein anderes Geschöpf weiter leben zu lassen, das - jetzt mal von mir frei weiter gesponnen - gefälligst ebenfalls seine vorgesehene Sterblichkeit zu akzeptieren hat.

Sehr geschickt macht die Pfarrerin (Im Saarland heißen die Evangelischen Pfarrer und die Katholischen Pastor / sonstwo ist das auch schon einmal umgekehrt habe ich gelernt) das mit Formulierungen, die kaum angreifbar sind. Trotzdem bleibt die Aussage das, was sie ist: Eine Konterkarrierung der Bemühungen in unserer immer ausgeprägteren Ich-AG-Gesellschaft zu einem Thema etwas zu bewegen, in dem wir sowieso zu den trägen Schlusslichtern gehören. - Dazu passt dann auch die Meldung Anfang Juli 2012, dass in Deutschland bei der Organspende ein historischer Tiefststand erreicht ist.

Damit ihre Worte wohl auch einfache Gemüter erreichen, stellt Frau Ruck-Schröder schließlich ganz deutlich noch die Frage danach wie tot ein Hirntoter denn nun sei, der ja immerhin noch warm sei und schwitze? Sie ordnet die Frage sogar der Wissenschaft zu, ... wobei es sich wohl um eine "christliche Wissenschaft" handeln muss, über deren Definition als Wissenschaft sich dann durchaus streiten ließe; z.B. meint Scientology auch, sie betrieben Wissenschaft. - Für mich sind dies Methoden im Namen einer Ideologie, verbal bewusst im Sinne eines bestimmten Interesses zu manipulieren anstatt Standpunkte auszutauschen oder - wie es bei einem Fernsehkommentar angebracht wäre - fair vorzutragen.

Ich selbst - und das gestehe ich hier nicht zu meinem charakterlichen Vorteil - habe mir aktiv auch noch keinen Organspenderausweis besorgt. Erstens aus plumper Trägheit und zweitens ein wenig, weil es mich tatsächlich kribbelt, bei der Vorstellung, dass mein Herz in einer anderen Brust schlagen könnte als der meinen. Genauso aber ist es mit dem Gepikst-Werden und dem Blut, das mir für eine Untersuchung abgenommen wird.  Ich bin wie so viele als körperlicher Industriestaat-Schisser in dieser Welt unterwegs und wäre hoffnungslos verloren, wenn ich mein Essen jagen und sammeln müsste anstatt es im Supermarkt zu kaufen.

Was ich aber ganz bestimmt nicht möchte, das ist, dass jemand im Namen z.B. meines Glaubens - den Fr. Ruck-Schröder und ich wie in diesem Fall nicht miteinander teilen - hergeht und mir aufgrund dieser Gesellschaftsumstände und -entwicklungen Angst macht, es passiere mit der Organspende eventuell etwas mit mir, obwohl ich noch lebe und fühle.

WER - bitteschön - hätte schon einmal ernsthaft etwas über ein Leben für einen hirntoten Menschen gehört?

Ich rede nicht von Menschen, die reanimiert werden können, wie z.B. kürzlich der Fußballtrainer Neuruhrer (ein Verdienst der modernen Medizin Frau Pfarrerin o. hätte der Mann sein Sterben lieber akzeptieren sollen? / u.a. übrigens Trainer beim FC Saarbrücken), sondern von Menschen und eben Fällen, wie sie immer wieder vorkommen, die leider nicht mehr gerettet werden können, aber aufgrund unserer mehr und mehr fortschrittlichen Technologie und Medizin entweder noch an den die Biologie erhaltenden Geräten hängen oder aber jenseits davon innerhalb eines Zeitfensters mit einem Organ anderem Leben noch Zukunft geben können.

Bei ersteren handelt es sich um Fälle wie Ariel Sharon (schlimme u. tragische Geschichte) und im Letzteren um gestorbene Unfallopfer, die eben nicht hirntot an einer Maschine hängen. Diese zweite Gruppe aber ist die überragende Mehrheit in Sachen Spende bzgl. in Frage kommender Situationen. Die sogenannte christliche Sichtweise der Pfarrerin unterschlägt uns dies vollkommen im Massenmedium Fernsehen am Samstagabend.

Außerdem Frau Pfarrerin: Was halten Sie denn von der Nierenspende eines Herrn Steinmeier? Oder von einer Rückenmarkspende? - Wie sieht es da mit der unverwechselbaren Einmaligkeit aus?

Ich bin empört und abgestoßen von diesem Auftritt. - Hätte ich nicht längst schon beschlossen gehabt, den von der Kasse verschickten Ausweis nun endlich ausgefüllt in der Brieftasche neben Führerschein und Ausweis zu platzieren, so hätte mich dieses üble Wort zu Sonntag spätestens überzeugt ein persönliches Zeichen dagegen zu setzen.

Was mich aber allgemein erschreckt, das ist die Befürchtung um den Schaden, den diese Frau mit ihrer so geschickt ausbalancierten "Hirtenrede" im hier zu Lande unter dem christlichen Banner - meiner Meinung nach - noch immer viel zu beeinflussbaren Volk angerichtet haben mag.

DESHALB: Schafft doch bitte endlich dieses "Wort zum Sonntag" ab, ... oder reformiert es wenigstens mit Stimmen, die unserer Gesellschaft näher an den tatsächlichen Wirklichkeiten etwas mit auf den Weg geben, anstatt nur Plattform dieses einen Hintergrundmotivs (Kirche) zu sein.

Anders ausgedrückt: Dafür möchte ich keine Rundfunkgebühren zahlen!

Aus meiner Kindheit erinnere ich, dass tatsächlich noch von der Kanzel gepredigt wurde, wie die Gemeinde "christlich" z.B. wählen solle. Ich gehe zu selten in die Kirche, um zu beurteilen, ob es das heute noch gibt, wobei ich mittlerweile mit Grund durchaus vermute, dass es ländlich im größeren Stil der Fall sein dürfte. Ich amüsierte mich bisher eher als ich das tragisch fand. Ebenso war es mit dem Wort zum Sonntag: das nahm man halt mit bevor es einen spannenden Spielfilm gab. Zumeist ging und geht es ja um Nächstenliebe, Frieden, Gewaltfreiheit und Themen, die an aus meiner gesellschaftlich positive Dinge appellieren. Harmlos!

Jetzt aber ist mir bewusst geworden, wie gefährlich dieses "Wort zum Sonntag" auch sein kann. Gerade wegen dem Nebenbei-Effekt! - Und wie deplatziert bzw. gesellschaftfremd es mittlerweile ist. Entworfen für eine bundesrepublikanische Gesellschaft noch spürbar nach dem 2. Weltkrieg ist es mit diesem ewig beibehaltenen Format im schon weit fortgeschrittenen 21. Jahrhundert und den Inhalten nicht mehr sinnvoll, sondern auf eine Weise gestrig, die sogar richtig Schaden anrichten kann.

Ich weiß natürlich nicht, ob es da eine Redaktion und eine ethisch orientierte Programmdirektion gibt, die festlegt, was aussagetechnisch geht bzw. gesellschaftlich korrekt ist und was nicht. Auch weiß ich nicht, wie die Damen und Herren Geistlichen ihren Weg auf den Sender jeweils finden, aber ich habe doch angesichts dieses Beispiels vor zwei Wochen den Eindruck, dass da redaktionell nicht wirklich kontrolliert oder nachgedacht wird.

Ein kurzer Sendeplatz zum Innehalten und Besinnen ist sinnvoll, aber wir haben da kulturell in unserer Gesellschaft ganz sicher sehr viel herausragendere Persönlichkeiten als PfarrerInnen, die uns weismachen wollen, dass man aus christlicher Sicht kein schlechtes Gewissen haben müsse, den zugeschickten Organspenderausweis nicht auszufüllen. - Beschämend für den Sender / Beschämend für die Kirche!

Dienstag, 22. Mai 2012

ZWISCHENBEMERKUNG ZUR ENTSCHEIDUNG DES DFB-SPORTGERICHTS (KW 21 / 2012)



Fußball ist jetzt zwar wirklich nicht die wichtigste Sache, wenn man so durch die Welt und ihre Herausforderungen guckt. Aber dieser Fußball ist unseren Gesellschaften und gerade hier in Europa eben so etwas wie sportliches und eventkulturelles Schwergewicht.

Wer vor einer Woche das 2. Relegationsspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC im Fernsehen sah und gerne den Fußball verfolgt, kann sicher kaum glauben und fassen, was dort geschah: Ab der zweiten Halbzeit wurden nicht nur Bengalos in beiden Fanblocks gezündet, sondern auch aufs Feld geworfen, so dass unterbrochen werden musste. Hertha Spieler mitten in den Flammen bei dem Versuch diese Pseudofans davon abzuhalten. Sie deuten auf imaginäre Uhren am Handgelenk, denn die Randale schadet doch nur der Chance des Clubs in der Liga zu bleiben. Was für ein bizarres Bild.

Dann aber dies: Kurz vor Ende des Spiels, es steht 2:2 und die Hertha ist mit dem letzten Aufgebot in diesen Minuten hauptsächlich am Drücker, fluten die Fans von Düsseldorf plötzlich das Feld. Wahrscheinlich rief einer, das Spiel sei aus und eine menschliche Kaskade kam in Gang. Jedenfalls entstand das nackte Chaos, die TV Bilder sprechen für sich. Die Hertha Spieler und das Schiedsrichter-Gespann flüchten in die Kabinen. Keiner weiß, was los ist. Eine gefühlte Ewigkeit später macht sich Düsseldorf als Verein daran, den Platz räumen zu lassen und aufzuklären, dass das Spiel noch gar nicht beendet ist. Zu diesem Zeitpunkt sind schon ganze Rasenstücke aus dem Boden gerissen worden. Die Fortuna Mannschaft kommt zurück auf den Platz. Minuten später auch die Hertha-Spieler, was ich am Bildschirm kaum glauben kann. Das Spiel wird wieder angepfiffen ... und gleich darauf dann "offiziell" beendet. Das waren deutlich nicht einmal 90 Sekunden, von denen immer die Rede ist (über 2 Minuten wären noch fällig gewesen).

Ich bin irritiert. Das DFB-Sportgericht hat jetzt entschieden, dass das Spiel nicht wiederholt wird, weil der Schiri zu jedem Zeitpunkt regelgerecht agiert habe. So verbreiten es die Medien. Mein Gott, um das Schiriverhalten geht es doch gar nicht. Was ist denn mit diesem DFB los? Hat der gar kein Gefühl für seinen eigenen Sport mehr? Der Schiedsrichter hat bestimmt regelkonform gehandelt und trotzdem kann man dieses Spiel so nicht stehen lassen - Es geht doch viel mehr darum, dass absolut keine sportliche Entscheidung darüber stattfand, wer nächste Saison in der ersten Liga spielen soll. Das Hinspiel in Berlin war korrekt, das Rückspiel in Düsseldorf mit den Einflüssen von außerhalb in den Platz hinein eben nicht. Wer bitteschön kann von den Hertha Spielern noch verlangen im Rahmen dieser Vorgänge und der hochgefährlichen Situation ein Tor zu schießen oder überhaupt ordentlich Fußball zu spielen. Das ist aberwitzig.

In der Verhandlung ging es wohl überproportional auch darum, dass Hertha-Spieler nach dem endgültigen Spielende ihrem Frust Luft machten und den Schiedsrichter im Spielertunnel dann beleidigten bzw. sogar "anfassten". - Davon ist natürlich gar nichts zu halten und das ist von hochbezahlten sogenannten Profis höchst unprofessionell, aber es hat schlechterdings nun einmal nichts mit der sportlichen Bewertung des Spiels zu tun, sondern gehört in die Disziplinarabteilung.

Wenn der Fußball als Sport sich nicht lächerlich machen will, muss das Spiel vor Ort in Düsseldorf wiederholt werden. Entweder als Geisterspiel oder - besser - mittels einem glaubwürdigen Sicherheits- und Friedenskonzept, das eine sportlich faire Auseinandersetzung gewährleistet.

Ich sag's mal deutlich: Wenn das jetzt am Ende nicht so geschieht (das DFB-Bundesgericht entscheidet kommenden Freitag), dann braucht sich doch keiner mehr über Wettskandale und Spielmanipulationen aufzuregen. Der Fußball als sportliche Auseinandersetzung wäre vom eigenen Verband zur reinen Farce bzw. zum Exekutivmacht-Politikum (Autorität des Schiedsrichters im Nachgang) verwaschen worden.

Wenn ich bei Fortuna D etwas zu sagen hätte, würde ich mich A) öffentlich vernehmbar dafür schämen, was in meinem Stadion passiert ist, und hätte B) schon längst gesagt bzw. selbst beantragt haben, dass das Spiel wiederholt wird, um die Frage nach dem letzten Startplatz in Liga 1 eben sportlich zu beantworten.  - Abgesehen von der Correctness, wäre das doch nach dieser Katastrophe das beste denkbare Sympathie-Marketing. Hat der Club so wenig Selbstvertrauen in die eigene Erstligatauglichkeit bzw. in die eigene Stärke, ein weiteres Spiel erfolgreich bestreiten zu können? Ein Unentschieden reichte ja schon ...

Ist der DFB in seinen Strukturen tatsächlich so realitätsfern und im eigenen Systemsaft abgehoben, dass das Richtige zu tun nicht mehr begriffen wird? - Es wäre eine echte Tragödie für diesen Sport in unserem Land.

Das Umgehen miteinander zwischen sogenannter Fankultur, Ultras etc. und Verband erscheint mir sowieso erkaltet bzw. gegenseitig nicht verstanden zu sein. Es gibt eine extrem seltsame Auseinandersetzung um Bengalos, bei der sich der Verband schlicht auf deren polizeiliches Verbot außerhalb von Sylvester festlegt, ... wobei solche "Feuerwerke" jedoch von Kommunen jederzeit für Events genehmigt werden und somit koordiniert abgesprochen werden können. - Ich meine, das müsste sich nachhaltig lösen lassen, wenn man es nur wirklich will und nicht die unbedingte Kraftprobe sucht.

Ich freue mich über den Aufschwung des Fußballs in den letzten Jahren, über volle Stadien, über öffentliche Events, über Freude und Besuch bei Spielen von Jugendmannschaften überall im Land, sowieso auch darüber, dass die emotionale Idee eines Jürgen Klopp (den ich seit über 10 Jahren beobachte) so wunderbar aufgeht und sogar erfolgreich zeigt, wie Fußball gehen kann.

Es wäre echt schade, wenn wir uns diesen schönen Fußball der letzten Jahre wieder kaputt machen!


Sonntag, 8. April 2012

Zwischenruf zur Aufregung um Günter Grass (KW 14 / 2012)

NCHT WIRKLICH EIN GEDICHT, ABER WICHTIG UND RICHTIG



Zuerst las ich im Internet, Günter Grass habe ein Gedicht in der NY Times und anderen Medien veröffentlicht, in dem er Israel angreife. - Echt, dachte ich zunächst, der Mann schreibt richtige Gedichte? Wusste ich ja gar nicht. - Und dann tickerten die Meldungen wildgeworden nur so über meinen Bildschirm: Antisemit / Judenfeind / Schuldverrechnung des notorischen Rechthabers / SS-Verschweiger und und ... Erschlagend!

Eine Fürrede!

Ich bin nun kein besonderer Fan von Grass, war ich noch nie. Ich schätze ihn als Autor, insbesondere sein frühes Werk, aber der Mensch kommt mir persönlich seit vielen Jahren zu ichbezogen und seine Person selbst zu überhöhend daher. Vielleicht unfair und ein nur subjektiver Eindruck, aber so funktionieren wir nun einmal als Individuen.

Jetzt soll er also in einem Gedicht über Israel hergezogen haben, das den Weltfrieden bzgl. des Kriegsszenarios mit Iran gefährde, so dass dieser angesprochene Staat den Text freudig erregt lobt, während die übrige mediale Welt über den älteren Mann im Twitter-Takt nur so herfällt.

Ich wundere und frage mich: hat das so tausendfach angesprochene "Gedicht" nach den Erstlesern überhaupt jemand wirklich nachgelesen, um die persönliche Meinung zu finden? - Nachdem ich es selbst jetzt tat, glaube ich, dass das eher weniger der Fall ist. "Vorurteile", "Antisemitische Rechthaberei", "Brandstiftertum" und was sonst noch so auftaucht, haben sich in Windeseile offenbar medial verselbständigt, denn wer an diesen Kommentaren beteiligt den Text tatsächlich liest, wird sich für sein Handeln wohl schämen müssen, weil er sich zuvor offenbar auf seinen eigenen digitalen Medieninput verließ anstatt das Original zu konsultieren. 

Analyse:

1) Upps, gar kein echtes Gedicht! - Das hätte mich zum Thema, dem Autor und der ganzen Aufregung auch sehr gewundert. Es ist ein stellungnehmender Text. 

2) In dem Text finden sich keine überzeichnenden Worte, kein übertriebener Pathos, keine Beleidigungen oder Angriffe unter der Gürtellinie (bzw. allein der „Maulheld“ in Richtung des iranischen Präsidenten) und auch keine Unwahrheiten oder Unterstellungen gegenüber Israel. 

Grass bringt einige aktuelle und durchaus allen bekannte Umstände der Region (es gibt noch so viele mehr) in Zusammenhang und möchte Stellung nehmend Aufmerksamkeit erreichen. – Aus Sorge. Alles andere wäre doch absurd und ohne Motiv; der Text wäre auch in anderen Worten abgefasst.

3) Die Gefahr der Antisemitismus-Unterstellung hat Grass wohl schon vorausgeahnt, denn er spricht es an und distanziert sich davon. – Auch vermutet er, dass dies einer der Gründe für das große Schweigen ist, womit er wohl meint, dass es (international) einem Tabubruch gleich kommt, gewisse Kritikpunkte zur israelischen Politik von sich zu geben.

4) Der Text ist in der Tat sehr ichbezogen formuliert und das Motiv des „Schweigens“ in verschiedenstem Kontext zumindest literarisch nicht so sehr glücklich eingesetzt. – Kann schon sein, dass Grass seine eigene Stimme etwas zu wichtig nimmt und das ganze gar wirklich als „Gedicht“ in die Welt setzen möchte, aber richtig und wichtig sind seine Worte dennoch. – Gleich wie man die Kunst darin beurteilen mag.

5) Israel (also die Politik dort) droht tatsächlich mit Angriffen gegen iranische Atomanlagen und setzt außerdem die USA diesbezüglich heftig unter Druck. Seit Monaten. Das lässt ist unbestreitbar. Dass es sich dabei auch um die Gefahr eines Atomschlags handeln könnte, ist möglicherweise die Befürchtung von Grass, die er in dem Text aber so direkt nicht einmal anspricht. – Alles andere als abwegig, denn der Iran hat einiges diesbezüglich eingebunkert und unter die Erde verbracht, was mit sogenannten konventionellen Waffen möglicherweise gar nicht mehr erreichbar wäre.

Und zweifelt jemand an der Entschlossenheit Israels in der Frage der umstrittenen iranischen Atomprojekte zu handeln, wenn man an diesen mysteriösen Hackerangriff letztens und ziemlich plötzlich zu Tode gekommene Wissenschaftler denkt? Hält hier irgendjemand den Mossad oder das israelische Militär für zimperlich?

6) Israel ist Atommacht! Niemand spricht darüber, dort nicht und auch nicht in den USA, von wo die Bombe ja aller Wahrscheinlichkeit gekommen sein muss. EIN TABU! Wie viele Sprengköpfe? Wie schwer etc. pp.? – Ist das vertrauenserweckend bei einem Staat, der – teils aus guten Gründen, teils ziemlich überzogen bis paranoid (Genau: ich finde, es darf auch einmal so genannt werden) – in Sachen Gewaltausübung nicht gerade zimperlich vorgeht?

Grass spricht die Lieferung eines weiteren deutschen U-Bootes an Israel an und stellt einen Zusammenhang her. Schaut bitte genau hin, er tut das zu Recht: die aktuellen U-Boote deutscher Bauart sind z. Zt. der Waffenexportschlager schlechthin, vor 1-2 Jahren war das ein bisschen in den Medien. Die relativ kleinen Boote sind aus zwei Gründen so beliebt: Erstens wegen der besten Ausspähtechnik, die für Geld zu haben ist, und zweitens – noch viel attraktiver – weil diese Boote selbst nicht aufgespürt werden können, und damit so etwas wie Stealth-Boote sind. Das macht sie eindeutig Erstschlagswaffen.

Die Frage nach der Verantwortbarkeit, Israel ein solches Instrument in die Hand zu geben, könnte man hierzulande durchaus als einer Debatte wert ansehen. Vielleicht auch die Frage nach einer Verletzung des Geistes der Waffenexportbestimmungen, obwohl anzunehmen sein dürfte, dass es sich hierbei um ein solches Israel-Tabu handelt. – Nicht aus der Luft geholt, wenn man vermutet, dass Grass darauf abzielte.

7) Grass legt bewusst und natürlich aufgrund seiner Biographie und Lebenswerkes glaubhaft ein Bekenntnis der Verbundenheit mit Israel ab. Etwas anderes ist in dem Text nicht erkennbar!

8) Grass fordert die international unabhängige Kontrolle des israelischen Atompotentials in dem Maße wie die Weltgemeinschaft es zu Recht und im globalen Interesse von Iran, Nordkorea und anderen verlangt. Das ist nicht nur rechtens, sondern auch überdeutlich angebracht inmitten einer vom Wahn okkupierten Region, in der die Menschen dicht bei dicht verfeindet leben, wie es Günter Grass sehr treffend in wenige Worte gießt.

Will das jemand ernsthaft bestreiten oder wegpolemisieren?

Ich habe in dem Text gar einen echten Lieblingssatz entdeckt und eine Botschaft, die ich gerne verbreitet sehen würde. Eigentlich ist es nur ein Halbsatz und der lautet: „Es mögen sich viele vom Schweigen befreien“.

Ohne das überstrapazierte ‚Schweigemotiv‘ wären diese wichtigen Worte möglicherweise noch besser im Text platziert gewesen.

Ich jedenfalls, nur einfacher und unbedeutender Bürger und Mensch, bin dankbar für diese Wortmeldung eines fraglos Wortgewaltigen. Die Art der entstandenen Diskussion ist natürlich sehr enttäuschend, weil das Eigentliche unter die Räder kam. Ich hätte mir aufgrund von Ernsthaftigkeit und moralischer Autorität des Autors gewünscht, dass eine öffentliche Debatte entstanden wäre über z.B.:

·         Das Liefern von High-Tech Waffensystemen nach Israel ohne gleichzeitige Transparenz und Garantien im Gegenzug.

·         Den Umgang mit der offenen Kriegsdrohung durch Israel und indirekt auch durch die USA.

·         Die Frage, wie unsere Gesellschaft in Zukunft oder ab heute mit den bisher tatsächlichen Tabus einer Kritik am Handeln des Staates Israel umgehen möchte.

Stattdessen aber wird über die angebliche Entgleisung eines Gealterten schwadroniert, dessen Antisemitismus endlich heraus möchte, dem man den Griffel aus der Hand entwenden solle, der sich nur darauf berufe Brandt einmal gut gekannt zu haben und so weiter.

Schlimm ist das! Und ich schäme mich als Bürger dafür, obwohl ich nix dafür kann und mich nicht beteiligte.

Das Folgewort von der „Gleichschaltung der Medien“ war als Bild im Interview mit Tom Burow gewiss nicht glücklich gewählt, denn es ermöglichte den schon im Rennen befindlichen Protagonisten, Grass als einen jetzt auch noch Verschwörung witternden Wirrkopf darzustellen und entsprechend zu titeln. Wie beschämend!

‚Gleichschaltung der Medien‘ ist natürlich ein Vergleich mit der Realität diverser totalitären Unrechtssysteme, welcher sofort an Nazis, SU oder DDR erinnert. Aber wie würdet Ihr euch fühlen, wenn ihr eine große Sorge ansprecht, dafür jedoch überwiegend absurd und wahrheitsverdrehend an den Pranger gestellt werdet? Das fändet ihr auch nicht witzig und noch trauriger wäre es um die nämliche Sache.

Ich habe – anders als wohl viele - den Text gelesen und das TV Interview in Gänze verfolgt. Günter Grass ist mit 84 Jahren genauso wenig senil wie Helmut Schmidt es mit sogar 93 ist. Ich bin nicht immer einverstanden, aber beiden und vielen anderen intelligenten Menschen höre ich sehr gerne zu und bin dankbar für kritisch erhobene Stimmen.

Die freien Medien – es gibt da in der Tat ja den „Presserat“ – sollten bzw. könnten über diesen Vorfall beraten, um zu klären wie es tatsächlich geschah, dass jemand so einhellig mit zudem brutalem Unwissen niedergemacht wurde, der Dinge schrieb, die sehr ernst aber in keinem Wort anstößig waren. Das Phänomen ist ebenfalls ernst und wir sollten uns alle Gedanken darum machen.

Ich halte es für ein Ausnahmethema, in dem unsere Medienlandschaft in der Tat dazu entgleist ist. 

Lasst uns doch einfach mutig, ehrlich, offen und ohne Bedenkenfurcht jene Debatte führen, die Günter Grass eigentlich anregen möchte. – Ergebnisoffen und ohne bereits gefertigte Urteile. Das wär ein Ding!

Dienstag, 27. März 2012

Thema 13: ASYL (KW 13 / 2012)



Das Recht auf Asyl und seine Gewährung sind ein bedeutendes Instrument freiheitlich und demokratisch orientierter Gesellschaften gegen Gewalt, Verfolgung, Folterung etc. in leider noch immer zahlreich vorhandenen totalitären Regimen und Diktaturen dieser Welt. - In Deutschland ist es Grundrecht, geregelt in Art. 16a GG. Der zunächst einfache Satz lautet: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht".

Toll! - Wieder einmal bin ich einverstanden mit unserer Verfassung.

In der bayerischen Stadt aber, in der ich lebe, sind jetzt allerdings 12 "Asylbewerber" (<-- zynisches Wort, s. bitte weiter unten) und Flüchtlinge aus dem Iran in einen Hungerstreit getreten. Eine gute Woche ist das jetzt her. Sie kampieren in einem leichten Zelt vor dem Rathaus. Sie meinen das nicht als PR Maßnahme, sondern bitterernst. Ich konnte mit einigen sprechen.

Eine Annäherung: Diese Menschen sind in einer ehemaligen und äußerst heruntergekommenen Kaserne (Deckname: Gemeinschaftsunterkunft) beinahe gefängnismäßig untergebracht, inklusive täglich einem Karton seltsam zusammen gestellter Lebensmittel. Keine Bewegungsfreiheit, keine Grundversorgung, die man so nennen möchte, keine Integrationsmöglichkeiten, natürlich keine Arbeit und vor allem KEIN ASYL.

Die Verfahren der 12 in meiner Stadt Hungernden zur Prüfung der Asylvoraussetzungen dauern bereits zwischen 5 - 15 Jahre an, Ende nicht in Sicht! Wie bitte?! Damit verbunden ist das oben beschriebene Nicht-Vorhandensein von elementaren Grundrechten, wie sie unsere Verfassung definiert und wie wir sie als freiheitliche Gesellschaft verstehen. Das Leben der Betroffenen befindet sich gewissermaßen in einer Art Schwebezustand, einem Vakuum, einem Stillstand darauf wartend, dass es eines Tages wieder weiter gelebt werden darf.

Gerade in der vergangenen Woche hat der neue Bundespräsident in seiner Vereidigungsrede die Wertbedeutung von Freiheit und Würde nachhaltig für unsere Gesellschaft hervorgehoben.

Zunächst sehr betroffen von der drastischen Maßnahme eines Hungerstreiks verstehe ich nun doch, wie es gerade zu diesem letzten Mittel kommen konnte. Es drückt als physisch sichtbar gewordenes Bild auf erschreckende Weise die Realität ihrer Existenz hier in Deutschland aus.

Wie nur kann es mitten unter uns zu solchen Zuständen kommen, die Menschen in der Schwebe zurücklassen zwischen Nicht-Legalität, Perspektivlosigkeit und v.a. Inhumanität?

Die schlichte Antwort ist natürlich der politische Wille! - Dieser Zustand ist politisch gewollt. Klingt brutal oder hier vom Autor vielleicht zu Unrecht an den Pranger gestellt, aber es ist wirklich so und die politischen Hintergrundmotive sogar leicht zu verstehen: Anerkanntes Asyl bedeutet Bleiberecht, Arbeitsgenehmigung, Recht auf Sozialleistungen, Bildung etc. pp. ... kurz, es bedeutet Kosten. Diese kleine Gruppe aber - in Deutschland leben mit Stand 2009 weniger als 32.000 Asylsuchende - ist ohne jede politische oder sonst wirkungsvoller Bedeutung. Im Gegenteil, Asylgewährung verärgert sogar Herkunftsstaaten als nicht selten attraktive Wirtschaftspartner. Nicht zu unterschätzen ist auch der gewisse Stammtisch- bzw. Bierzeltpopulismus. Die politische Logik unserer Wirklichkeit heißt demnach "Schwebendes Verfahren". Und zwar über viele Jahre hinweg. Echte Bearbeitung und Entscheidung - die Begründung muss ja juristisch standhalten - finden einfach nicht statt, die Asylsuchenden fallen in diesen "Gemeinschaftsunterkünften" abseits öffentlicher Wahrnehmung dem Vergessen anheim (in meiner Stadt war das vor 20 Jahren noch im Zentrum und empörte schon damals ein paar Menschen, weil z.B. ein Gebäudeinhaber sich regelrecht das Näschen vergoldete mit 8-Bett-Zimmerunterbringungen etc., auch nicht besser). Nach vielen bis sehr vielen Jahren dann zumeist die Ablehnung wegen z.B. Einreise über ein angeblich 'sicheres Drittland', und die asylsuchenden Menschen gehen wieder, ohne sich noch einmal juristisch zu wehren. Zermürbt von der verlorenen Lebenszeit in einem Land, das nach außen hin die Fahnen von Gerechtigkeit, Menschenwürde, Freiheit und Demokratie weltweit mit am höchsten aufzieht. - Von daher kommentiere ich das Wort "Asylbewerber" als zynisch verwendet (s. oben).

Als Bürger und Einwohner unseres Deutschland kapiere ich durchaus die politisch-behördliche Dynamik sowie die Methode, wie das in der Praxis vor sich geht, aber es ist doch einfach nur beschämend. Und zusätzlich empört darf und muss man natürlich auch darüber sein, dass sämtliche entweder politisch oder beruflich Involvierte an ihrer jeweiligen Stelle dies alles sehenden Auges und sehr wohl wissentlich tun. Alles andere wäre einfach in die Tasche gelogen.

Beschämend ist das! Schämen tue ich mich aber auch dafür, dass ich selbst erst jetzt hinschaue, da 12 Menschen und mit ihnen weitere (noch) nicht Hungerstreikende keinen anderen Ausweg mehr sehen. Für sich und für ihr Leben, das ganz gewiss Würde verdient hat. Und auch ein wenig Qualität und Inhalt und, und, und. So wie wir alle.

Ende Januar 2012 hat sich in der GU (Gemeinschaftsunterkunft) meiner Stadt ein tragischer Selbstmord ereignet. Mohammad Rashepars sah wahrscheinlich keine Zukunft mehr für sich, keine Möglichkeit der Rückkehr, kein Leben das stattfand und nicht die Aussicht, dass sich dieser Zustand je verändern würde. Er traf für sich in der Konsequenz die einzige Entscheidung, über die er (brutal gesagt: in seiner Situation) selbstbestimmt noch entscheiden konnte. Jedenfalls scheint es so, wissen kann man das nicht. - Seine Mitbewohner und Kameraden im Flüchtlingsschicksal haben nun entschieden, dass es so für sie alle nicht weitergehen darf und diesen ebenso verzweifelten wie mutigen Schritt zum öffentlichen Hungerstreik unternommen.

Ich schäme mich für mein eigenes Phlegma angesichts solcher Zustände direkt vor meiner Haustür und sage, dass wir das alle miteinander tun sollten. So etwas dürfen wir einfach nicht zulassen.

Wie geht die Stadt und gehen wir nun mit dieser Situation um, die uns auf diese Weise so drastisch vor Augen geführt wird?

Wahnsinn, Business as Usual! - Direkt vor Rathaus, Kaufhaus und Einkaufsmeile liegen die Hungerstreikenden im Zelt mit ein paar Unterstützern drum herum. Die Stadt aber schaut einfach nicht hin, die Leute gehen ganz überwiegend kopfschüttelnd oder in die andere Richtung blickend weiter ihrer Wege.

Ich habe mich erkundigt. OB, weitere Bürgermeister, Stadträte, Offizielle? Totale Fehlanzeige! Nein Halt, da war doch jemand von der SPD und auch von den Linken in der Woche mal da. Aber wer und ob das nicht eher privat zufällig war ... Schulterzucken.

Eine Solidaritäts-Demo fand statt. Sonntags. 150 - gegen Ende vielleicht 250 oder 300 Menschen liefen mit durch eine von der Frühjahrsmesse und dem warmen Märzwochenende trotz Sonntag belebte Innenstadt. Die Hungerstreikenden konnten nicht mitlaufen. Zwischenkundgebung und erläuternde Worte an einem Ort abseits größerer Aufmerksamkeit. Menschen gucken, machen Fotos. Sie gehen weiter promenieren und werden nicht wissen, was hier wirklich los ist.

Die Unterstützer haben vielleicht zu wenig Erfahrung darin, wie man erfolgreich Demos ansetzt und die entsprechende Aufmerksamkeit erzeugt. Das kann Ihnen niemand verdenken. Die Beamten unserer Stadt hätten sich anders verhalten müssen.

Eine Provinzgroßstadt im nördlichen Bayern. Ich sehe absolut niemanden, der in irgendeiner Art und Weise unsere Stadt oder den Landkreis repräsentieren würde. Okay, ich kenne nicht jeden persönlich, aber niemand gibt mir auch nur einen Hinweis darauf. Und ich habe mich durchaus umgeschaut und erkundigt.

Die Stadt natürlich ist nicht zuständig, es ist das Bundesland, also hier der Freistaat Bayern. Dennoch bin ich mir vor Ort sicher, dass die Stadt hier das ihre durchaus für diese Menschen innerhalb ihrer Grenzen positiv tun könnte. Z.B. Anwälte stellen, die das Verschleppen der Verfahren nicht dulden, oder - wenn das zu viel ist - humanitäre und mitmenschliche Gesten, wie sie nur selbstverständlich sein sollten. Ich verstehe einfach nicht, dass der OB - er im besonderen - und andere für diese Stadt gewählt Verantwortliche sich nicht blicken lassen, sich nicht kümmern und sich nicht im Rahmen ihrer übernommenen  Verantwortungen und Überzeugungen so oder so, also dafür oder dagegen einsetzen. Ich schäme mich dafür, denn genau dies ist das kommunale Moment, das uns alle hier vor Ort angeht und betrifft.

Die zuständige Landesregierung und ihr Verhalten sind ein anderes. Das ist ein bisschen indirekt und können wir Bürger in unserer Kommune nicht direkt beeinflussen. Ich frage mich, ob Herr Seehofer - gerade staatsmännisch in aller Wahrnehmung als Interimspräsident - und die zuständige Sozialstaatsministerin Haderthauer wahrnehmen, was hier gerade - stellvertretend für die Zustände im Land - wirklich vor sich geht. Man darf es getrost bezweifeln. Sie würden es wohl nur tun, wenn zu erwarten stünde, dass ein gewisser Wähleranteil ihnen ihr Verhalten zum Thema ASYL übelnähme.

Ein Vertreter des Sozialstaatsministeriums gibt zur Situation der Hungerstreikenden auf Nachfrage am Telefon tatsächlich die Ansicht zum Besten, dass die meisten Menschen ja der Meinung seien, solche Asylbewerber könnten wieder gehen, wenn ihnen die Zustände hier nicht gefallen. - Ohne Worte!

Der Hungerstreik zielt in seinen Forderungen ausschließlich auf die zuständige Landesregierung ab und macht der Kommune keine Vorwürfe. Nobel, obwohl diese sich offenbar verhält wie vor drei Generationen schon einmal während einer ganz anderen Gemengelage, wenn ihr versteht, was ich meine. Ich empfinde das als schäbig und unwürdig von allen Parteien und Fraktionen im Stadtrat. Schämt Euch verdammt noch mal! Insbesondere der OB! Es ist seine Stadt! Er trägt Verantwortung und hat eine Fürsorgepflicht für das Schicksal der Menschen an diesem Ort.

Die Hungerstreikenden halten während der Abschlussworte am Ausgangspunkt der Demo ein Transparent in die Höhe auf dem steht: "Selbstbestimmung & Meinungsfreiheit statt Residenzpflicht & Lagerzwang".

Sie setzen sich während der Reden irgendwann auf den Pflasterboden, da die Kraft nicht mehr reicht mit dem Transparent nach oben. Einer versucht auf Deutsch zu sprechen und zu danken, kann aber seine Emotion und Tränen nicht unterdrücken, ein anderer verliest auf Persisch, worum es Ihnen als Asylbewerber und menschlich generell geht. Diese Erklärung wird übersetzt von einem Perser aus Köln und auf sehr schwerem Weg anerkannten Asylbewerber, welcher unerwartet persönlich an seine Landsleute gerichtet noch hinzufügt, dass das eine und einzige Leben doch viel zu wertvoll sei, um es derart einzusetzen.

Dem ist nichts hinzuzufügen außer dem lauten Ruf, dass das in der Verfassung grundlegende Asylrecht aus historisch sehr gutem Grund den Gedanken und Überzeugungen unserer Verfassungsmütter und -väter folgt. Darauf sollten wir uns besinnen und entsprechend handeln.

Geht hin und sprecht mit diesen Menschen in unserer Mitte. HELFT IHNEN!

Montag, 20. Februar 2012

Thema 12: Kind sein ist schwer … Elternschaft vielleicht noch mehr! (KW 08 / 2012)



Als Kind und Teenager habe ich mich sehr oft durch die Eltern unverstanden und nicht gerecht behandelt gefühlt. Es kam mir vor wie eine Wand aus Beton. Als Vater fällt es mir nun selbst oft schwer, meinen Kindern den Rahmen und die Grenzen ordentlich zu vermitteln. Es fehlt nicht selten an der Geduld und vor allem an der Gelassenheit gegenüber dem ganz normalen Erziehungswahnsinn. Ist das zu fassen?

In Sachen Kindheit, Familie und Eltern will ich gar nicht weiter ausholen. Das ist persönlich und ja gar nicht Thema hier. Ansprechen möchte ich zur Ausgangssituation nur ein paar Phänomene, welche wohl mit einer Kindheit einhergehen. Na, jedenfalls so wie ich das empfunden habe und erinnere:

§  Orte und Dinge sind in Wirklichkeit viel kleiner als die Erinnerung es vorgaukelt. Das liegt wahrscheinlich tatsächlich an der viel niedrigeren Perspektive und den eigenen Größenverhältnissen, unter denen wir diese Bilder der Welt als Kind damals abspeicherten.

§  Gleiches gilt auch für Ereignisse und z.B. Konflikte, die eine bestimmte Art von Erinnerungsfärbung beinhalten, wenn sie aus der Pubertätsperiode und davor stammen. Man muss da ein bisschen vorsichtig sein, was nicht bedeutet, dass man sich im Fall der Fälle etwas wegschummeln sollte. Bestimmt nicht.

§  Die Liebe eines Kindes zu den Eltern ist völlig bedingungs- und vor allem alternativlos. Sie steht auf einem ganz eigenen Blatt. Das ist in der Natur der Dinge ein großartige Sache, kann aber aufgrund des kindlichen Abhängigkeitsverhältnisses und je nach Umständen zu einer gefährlichen Sache werden.

Dies sind für mich die großen Eckpfeiler zur Einordnung der eigenen Kindheit. Zwischen meinen Eltern und mir, also zwischen Vorkriegs- und Nachkriegskindern ist der Werte- und gesellschaftliche Prägungswandel so groß wie sich das in der Geschichte sicher nur sehr selten findet. Hinzu kommt dieser irrwitzige Technologiesprung, in den ich hineingeboren wurde, die Eltern jedoch als regelrechten Paradigmenwechsel erlebt haben müssen (hält noch an und ist noch immer in der Beschleunigungsphase). Daraus ergeben sich deutliche Unterschiede in der Wahrnehmung unserer Welt und Umwelt; vor allem ergibt sich eine gewisse Distanz über die Art und Weise wie sich das Leben anfühlt bzw. wie mit ihm umzugehen ist.

Diese Beschreibung trifft sicher nicht auf alle, aber doch viele Menschen unserer zweiten bis dritten Eltern-/ Kindgenerationen zu, welche sich in dem entsprechenden Zeitfenster wiederfinden.

Heute als Vater aber muss ich damit umgehen, dass ich von meinen Kindern als ein wenig gestrig orientiert angesehen werde, weil ich Einsichten, Erfahrungen und v.a. Kultur, Filme, Musik von den 60ern bis 90ern in meine Wertewelt mit einbaue und nachhaltig vermitteln möchte. Aus meiner Perspektive zusammen mit dem was in der aktuellen Zeit anliegt.

Das reicht aber nicht! Elternschaft ist viel mehr als das Vermitteln der für die aktuelle Gesellschaftsphase notwendigen Überlebensinstrumente! - Die Grundüberzeugung und Familienpositionierung spielt eine riesige Rolle, ... angepasst an die Zeit:

Medienveränderungen sind in der Generation zu unseren Kindern eminent (TV, Gameboy, Handy-SMS, PC-Spiele und Spielekonsole) geworden. - Das muss als Wahrnehmungswelt der Kids realisiert werden statt Straße, Wald, Outdoor, Bolzplatz und allem, was zuvor seit eh und je da draußen passiert ist. Es hat sich gewandelt.

Unsere Kinder verweigern - wohl aufgrund der Umwelteinflüsse - die Geschichte. Als solche im Allgemeinen und auch die Eigene im Besonderen. Das macht es jetzt im Elternjob nicht leicht, Bewusstsein für die Werte der eigenen Herkunftsprägung zu schaffen bzw. Grundlagen zu vermitteln, auf deren Boden unsere Kinder dann ihren eigenen zusätzlichen und individuellen Weg finden.

So habe ich mir das immer vorgestellt. Klappt aber nicht Eins-zu-Eins. Die nachfolgenden Phänomene und Schwierigkeiten sind mir auffällig:

§  Ich erwische mich doch tatsächlich immer wieder bei Verhaltensweisen, die ich an meinen Eltern so überhaupt nicht schätzte und dies zum Teil nach wie vor nicht tue. Ist das zu fassen? - Mit den zunehmenden Jahren wird's natürlich nicht besser; eher im Gegenteil. Ich bemühe mich um stete Selbstbetrachtung, aber den Kids erzähle ich aus erzieherischen Gründen nichts davon ...

§  Mit der Gelassenheit ist das ebenfalls so eine Sache. Viel zu oft reibt man sich im Klein-Klein miteinander auf und opfert auf diese Weise das Wesentliche, um das es doch eigentlich gehen sollte. Nicht immer, aber eben doch viel zu häufig.

§  Der Sturm der Hormone (Pubertät) mit all seinen Gefühlen, Eruptionen, Wirrnissen, ungerechten Ausbrüchen etc. ist - jetzt da ich es von der anderen Seite aus betrachte - um einiges heftiger als die Erinnerung es für mich eingeordnet hätte. Erstaunlich.

§  Der Effekt, sich grundsätzlich gegen Ansichten, Aussagen etc. pp. der Eltern zu stellen und diesen offenbar aus Prinzip in allem zu widersprechen, ist ebenfalls viel stärker ausgeprägt, als ich mir das vorgestellt hätte. - Fast schon wieder witzig ist, was für unsinnige Behauptungen dabei doch zuweilen herauskommen.

Im Schluss habe ich heute als Vater ein wenig mehr Milde übrig für zumindest manche der Überforderungen meiner Eltern. Die waren vom Hintergrund aus Krieg und Nachkriegszeit her viel weniger im Metier drin, und konnten nicht anders.

Mit den Kids andererseits ist das so, dass man am besten wohl die individuell richtige Mischung zu finden versucht zwischen dem Zulassen und den notwendigen Grenzen. Wichtig ist, auch während oder nach heftigen Momenten den Kontakt, die innere Bindung und die positive Begleitung niemals abreißen zu lassen. Das Ziel muss sein, am Ende der Kindheit für das weitere Erwachsenenverhältnis den Respekt und die Achtung gewonnen bzw. behalten zu haben; sowie umgekehrt auch die elterliche Erfüllung, den Stolz und eine gewisse Zufriedenheit über das, was die Kinder mit u.a. unserer Unterstützung als Menschen und Personen dann aus sich selbst gemacht haben werden. Natürlich auch dieses einzigartige Ereignis der intakten Eltern-Kind-Liebe.

Es ist also tatsächlich nicht entscheidend, ob die Kids so werden oder auch machen, wie man sich das als Mutter/Vater im Hinterstübchen ja doch insgeheim vorgestellt hat. Wichtig ist nur, dass unsere Kinder zu starken, selbständigen, selbstbewussten und positiven Persönlichkeiten heranwachsen, die da draußen im Dschungel gut zurecht kommen und nach Möglichkeit vielleicht sogar etwas bewegen und so etwas wie ihr Glück finden.

So banal wie einfach ist das! Und so schwierig!

Die Moral von der Geschichte: Kind sein ist schwer ..., Elternschaft aber noch mehr!