Dienstag, 22. Mai 2012

ZWISCHENBEMERKUNG ZUR ENTSCHEIDUNG DES DFB-SPORTGERICHTS (KW 21 / 2012)



Fußball ist jetzt zwar wirklich nicht die wichtigste Sache, wenn man so durch die Welt und ihre Herausforderungen guckt. Aber dieser Fußball ist unseren Gesellschaften und gerade hier in Europa eben so etwas wie sportliches und eventkulturelles Schwergewicht.

Wer vor einer Woche das 2. Relegationsspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC im Fernsehen sah und gerne den Fußball verfolgt, kann sicher kaum glauben und fassen, was dort geschah: Ab der zweiten Halbzeit wurden nicht nur Bengalos in beiden Fanblocks gezündet, sondern auch aufs Feld geworfen, so dass unterbrochen werden musste. Hertha Spieler mitten in den Flammen bei dem Versuch diese Pseudofans davon abzuhalten. Sie deuten auf imaginäre Uhren am Handgelenk, denn die Randale schadet doch nur der Chance des Clubs in der Liga zu bleiben. Was für ein bizarres Bild.

Dann aber dies: Kurz vor Ende des Spiels, es steht 2:2 und die Hertha ist mit dem letzten Aufgebot in diesen Minuten hauptsächlich am Drücker, fluten die Fans von Düsseldorf plötzlich das Feld. Wahrscheinlich rief einer, das Spiel sei aus und eine menschliche Kaskade kam in Gang. Jedenfalls entstand das nackte Chaos, die TV Bilder sprechen für sich. Die Hertha Spieler und das Schiedsrichter-Gespann flüchten in die Kabinen. Keiner weiß, was los ist. Eine gefühlte Ewigkeit später macht sich Düsseldorf als Verein daran, den Platz räumen zu lassen und aufzuklären, dass das Spiel noch gar nicht beendet ist. Zu diesem Zeitpunkt sind schon ganze Rasenstücke aus dem Boden gerissen worden. Die Fortuna Mannschaft kommt zurück auf den Platz. Minuten später auch die Hertha-Spieler, was ich am Bildschirm kaum glauben kann. Das Spiel wird wieder angepfiffen ... und gleich darauf dann "offiziell" beendet. Das waren deutlich nicht einmal 90 Sekunden, von denen immer die Rede ist (über 2 Minuten wären noch fällig gewesen).

Ich bin irritiert. Das DFB-Sportgericht hat jetzt entschieden, dass das Spiel nicht wiederholt wird, weil der Schiri zu jedem Zeitpunkt regelgerecht agiert habe. So verbreiten es die Medien. Mein Gott, um das Schiriverhalten geht es doch gar nicht. Was ist denn mit diesem DFB los? Hat der gar kein Gefühl für seinen eigenen Sport mehr? Der Schiedsrichter hat bestimmt regelkonform gehandelt und trotzdem kann man dieses Spiel so nicht stehen lassen - Es geht doch viel mehr darum, dass absolut keine sportliche Entscheidung darüber stattfand, wer nächste Saison in der ersten Liga spielen soll. Das Hinspiel in Berlin war korrekt, das Rückspiel in Düsseldorf mit den Einflüssen von außerhalb in den Platz hinein eben nicht. Wer bitteschön kann von den Hertha Spielern noch verlangen im Rahmen dieser Vorgänge und der hochgefährlichen Situation ein Tor zu schießen oder überhaupt ordentlich Fußball zu spielen. Das ist aberwitzig.

In der Verhandlung ging es wohl überproportional auch darum, dass Hertha-Spieler nach dem endgültigen Spielende ihrem Frust Luft machten und den Schiedsrichter im Spielertunnel dann beleidigten bzw. sogar "anfassten". - Davon ist natürlich gar nichts zu halten und das ist von hochbezahlten sogenannten Profis höchst unprofessionell, aber es hat schlechterdings nun einmal nichts mit der sportlichen Bewertung des Spiels zu tun, sondern gehört in die Disziplinarabteilung.

Wenn der Fußball als Sport sich nicht lächerlich machen will, muss das Spiel vor Ort in Düsseldorf wiederholt werden. Entweder als Geisterspiel oder - besser - mittels einem glaubwürdigen Sicherheits- und Friedenskonzept, das eine sportlich faire Auseinandersetzung gewährleistet.

Ich sag's mal deutlich: Wenn das jetzt am Ende nicht so geschieht (das DFB-Bundesgericht entscheidet kommenden Freitag), dann braucht sich doch keiner mehr über Wettskandale und Spielmanipulationen aufzuregen. Der Fußball als sportliche Auseinandersetzung wäre vom eigenen Verband zur reinen Farce bzw. zum Exekutivmacht-Politikum (Autorität des Schiedsrichters im Nachgang) verwaschen worden.

Wenn ich bei Fortuna D etwas zu sagen hätte, würde ich mich A) öffentlich vernehmbar dafür schämen, was in meinem Stadion passiert ist, und hätte B) schon längst gesagt bzw. selbst beantragt haben, dass das Spiel wiederholt wird, um die Frage nach dem letzten Startplatz in Liga 1 eben sportlich zu beantworten.  - Abgesehen von der Correctness, wäre das doch nach dieser Katastrophe das beste denkbare Sympathie-Marketing. Hat der Club so wenig Selbstvertrauen in die eigene Erstligatauglichkeit bzw. in die eigene Stärke, ein weiteres Spiel erfolgreich bestreiten zu können? Ein Unentschieden reichte ja schon ...

Ist der DFB in seinen Strukturen tatsächlich so realitätsfern und im eigenen Systemsaft abgehoben, dass das Richtige zu tun nicht mehr begriffen wird? - Es wäre eine echte Tragödie für diesen Sport in unserem Land.

Das Umgehen miteinander zwischen sogenannter Fankultur, Ultras etc. und Verband erscheint mir sowieso erkaltet bzw. gegenseitig nicht verstanden zu sein. Es gibt eine extrem seltsame Auseinandersetzung um Bengalos, bei der sich der Verband schlicht auf deren polizeiliches Verbot außerhalb von Sylvester festlegt, ... wobei solche "Feuerwerke" jedoch von Kommunen jederzeit für Events genehmigt werden und somit koordiniert abgesprochen werden können. - Ich meine, das müsste sich nachhaltig lösen lassen, wenn man es nur wirklich will und nicht die unbedingte Kraftprobe sucht.

Ich freue mich über den Aufschwung des Fußballs in den letzten Jahren, über volle Stadien, über öffentliche Events, über Freude und Besuch bei Spielen von Jugendmannschaften überall im Land, sowieso auch darüber, dass die emotionale Idee eines Jürgen Klopp (den ich seit über 10 Jahren beobachte) so wunderbar aufgeht und sogar erfolgreich zeigt, wie Fußball gehen kann.

Es wäre echt schade, wenn wir uns diesen schönen Fußball der letzten Jahre wieder kaputt machen!