Montag, 31. Oktober 2011

Thema 3: Inspirierende Persönlichkeiten (KW43 / 2011)


Wir alle sind im Leben neben den selbst mitgebrachten Eigenschaften vor allem auch das Produkt der Umwelt, in der wir uns bewegen. Familie, Freunde, Bildungs- und Arbeitsumfeld, die soziokulturelle Wertewelt unserer Gesellschaft. Glaube, Moral, Erfahrungen, individuelle Ereignisse. Das alles prägt und richtet unser Leben aus. Im positiven wie im schwierigen, das ist mal klar.

Vorbilder gehören ebenfalls dazu. Eltern sind Vorbilder (na, zumindest wenn die Kids noch kleiner sind) und natürlich Menschen, denen etwas Besonderes gelingt, die etwas Besonderes leisten. Menschen, die man im näheren oder weiteren Umfeld wahrnimmt, aber auch Menschen, die so etwas sind wie die Vorbilder schlechthin zu einem bestimmten Thema (Kultur, Religion, Region, Politik, Kunst, Sport etc.) oder sogar der Menschheit als solcher.

Meine Vorbilder im Sinne der letztgenannten Kategorie möchte ich hier kurz vorstellen: Persönlichkeiten, die mich inspirieren. Menschen, deren Lebensleistung ich bewundere und bezüglich meiner eigenen Einsichten als prägend empfinde.

Nelson Mandela
Ihn nenne ich ohne Zögern zuerst! – Sein Lebensweg von Jugend an ist durchdrungen von einem sehr gefestigten Wertebild und dem nie zu brechenden Glauben an das Ziel einer gesellschaftlichen und sozialen Gerechtigkeit zwischen den Ethnien. Die Art und Weise (auch vor seiner langen Gefangenschaft!) wie er – zwar natürlich nicht allein – das extrem grasse System der Apartheit durch die Kraft seiner Unbeugsamkeit in die Knie zwingen konnte, ist ein Vorbild für uns alle als Menschheit. Na ja wenigstens sollte es das sein …


Ich habe viele Quellen zu ihm gelesen und natürlich auch sein Buch „Der lange Weg zur Freiheit“. Mandelas Weg war mutig und konsequent zugleich. Unterwegs hat er sich niemals zu Revanchismus oder Ressentiments hinreißen lassen, obwohl es viele Anlässe dazu gegeben hätte. Alle Versuche – und es waren viele – seinen Willen und seine Überzeugungen zu brechen, waren erfolglos. Trotz auch der unsäglichen Gewalt, die auf beiden Seiten zunehmend auf freilich verschiedene Weise eskalierte. Das unterscheidet Mandela von vergleichbaren Persönlichkeiten der Geschichte. – Anders als bewusst gestreute Behauptungen des Apartheidregimes hat Nelson Mandela sich trotz eines Lebens im Widerstand niemals der Gewalt als Lösung ergeben. Das bewundere ich!

Bevor er seine persönliche Freiheit mit über 70 Jahren endgültig wieder erlangte, wusste er schon einige Jahre lang, dass dieser Augenblick kommen würde und bereitete sich akribisch darauf vor, sein Land nachhaltig zwischen den Ethnien endlich zu befrieden. Kein Groll, keine Entgleisungen, sondern Verhandlungen, Gespräche mit seinen persönlichen Gegnern und denen seines Volkes. Selbst den Friedensnobelpreis teilte er mit Pieter de Klerk, dessen Leistung allein darin bestand, das untergehende alte System halbwegs friedlich abzuwickeln. Im Grunde auch eine Zumutung, … aber die Großzügigkeit und Bereitschaft zur Geste zeichnet diesen großartigen Menschen in ganz besonderer Art und Weise aus über ein ganzes Jahrhundert hinweg.

Mahatma Gandhi
Auch er eine Ikone der Freiheit mit ganz großer Biografie und vielen Parallelen zu Mandela. Beide werden im vorgerückten Lebensalter Vater- und Führungsfigur ihres Volkes in der Auseinandersetzung um Unabhängigkeit, Freiheit und ein neues System, beide haben eine südafrikanische Vergangenheit und könnten sich sogar fast begegnet sein, beide haben in sehr besonderer Weise den Widerstand gewaltfrei und den Erfolg mit dem Verlauf der Zeit nachhaltig gesucht. Gandhis Weg aber war doch anders und vielleicht noch schwieriger und auf jeden Fall viel gebrochener. Denn im Rahmen des Riesenreiches und der inhomogenen Völker Indiens war die Aufgabe wahrscheinlich zu groß, um sie auf die Schultern eines einzelnen Menschen zu nehmen.

Dennoch bewundere ich als von Land und Leuten sehr angetaner Indienreisender diese unglaubliche Leistung Gandhis uneingeschränkt, aber er bewegte sich in einem Konstrukt unendlicher Widersprüche. Auch musste er erst mit den Jahren seinen Weg zu seiner Aufgabe finden. Gandhi erreichte am Ende ohne Armee, ohne Krieg, ohne Staatsmacht allein durch den Einsatz seiner Person (Verhandlung/Fasten/Protest) mit der Unabhängigkeit seines Landes Unglaubliches … und konnte doch die Gewalt und die Spaltung des Landes nicht verhindern. Eine Tragik, die in den Konfliktereignissen zwischen Pakistan und Indien noch immer andauert.

Gandhi wählte stets gegen andere und durchaus persönlich verlockende Angebote seinen eigenen Weg und stellte sich wieder und wieder aussichtslosen Widrigkeiten aufgrund seiner Überzeugung und vielleicht Vision für Indien. – Um das zu erreichen, und obwohl er gebetsmühlenmäßig Alternativen anbot, nahm er wohl die offenbar unvermeidlichen Gewaltexzesse in Kauf, um dem Ziel der Unabhängigkeit (das leider nicht wirklich ausgearbeitet war!!) näher zu kommen.

Gandhi prägte und definierte den Begriff des „passiven Widerstandes“ so wie wir ihn heute kennen und verstehen. Das ist eine Leistung, die für alle Zeiten im Gedächtnis der Menschheit Bestand haben wird.

WILLY BRANDT
Dieser Mann hat über das 20. Jahrhundert hinweg sein politisches Leben aufrichtig und ehrlich gelebt, so wie ich mir das für in der Verantwortung handelnde Protagonisten heute nur wünschen würde.

Er ging bereits 1933 in den Untergrund und Widerstand. Dort spielte er gewisse Rollen im spanischen Bürgerkrieg, bei der Verleihung des Friedensnobelpreises an Carl von Ossietzky und z.B. auch dem Umsturzversuch vom 20. Juli 1944. Das wissen nur wenige.

Willy Brandt war vielleicht nicht das, was man einen idealen Familienmenschen und Vater nennen möchte (alle Kinder hatten Probleme), aber er gab die entscheidenden Impulse, damit unser Land werden konnte, was es vor 1990 geworden war. Er gestaltete auch bestimmte Teile der westlichen Politik in der Phase des kalten Krieges auf beiden Seiten, die unser aller Leben in der Weise ermöglichte, so wie es war.

Willy Brandt erduldete absurde und weiß Gott ungerechte Diffamierung in der Nachkriegszeit, um politisch bewegen zu können, woran er glaubte. – Seine Rolle selbst zum Ende des kalten Krieges hin ist größer und entscheidender als die Geschichte ihm das heute (2011) zubilligen will: Ohne Wissen des Westens beriet und beeinflusste Brandt Michael Gorbatschow – der ihn bewunderte – ab 1986 intensiv in all seinen politischen Maßnahmen und nahm auf diese Weise unaufgeregt Einfluss. Ich entnehme diese Behauptung dem Vorwort der Erstausgabe von Brandts „Erinnerungen“ (Sommer 1989) und späteren Einlassungen von Gorbatschow.

Das lebenslange politische Wirken von Willy Brandt hat mich schon immer inspiriert seit dem Wahlkampf 72, den ich erstmals als Auseinandersetzung selbst wahrnahm. Im Angesicht der weltweiten Ereignisse und Grausamkeiten des 20. Jahrhunderts war er 1971 sicher einer der würdigsten Vertreter des großen Friedenspreises, die es je gegeben hat.

Michelangelo Buonarroti  

Der erste Superstar der Kunst und Kultur der Weltgeschichte schon zu Lebzeiten! Michelangelo ist an der Schwelle zur Neuzeit Zeitgenosse sehr vieler prominenter Persönlichkeiten, die einen Platz in unserem historischen Gedächtnis haben: Kolumbus, Kaiser Karl V., die Künstler Ghirlandaio , Botticelli, da Vinci, Raffael, Bramante und sehr viele andere, den Päpsten Julius II, Leo X. und Paul IV. etc., Martin Luther etc.



Das Besondere an ihm ist nicht nur seine unglaubliche Kunst, sondern dass er sich zeitlebens nicht für irgendeinen Herrscher oder Papst dafür verbogen hat, so schwer das auch gewesen sein muss, denn andere taten dies während jener künstlerisch unfassbar kreativen Epoche weidlich. Er ging für das woran er glaubte in gewalttätiger Zeit Risiken ein wie prominent niemand sonst in seiner Zeit und setzte physisch wie psychisch für sein Werk stets alles. Das ist so einzigartig wie die Kunst, die er uns hinterließ. Ich bin und werde von diesem Leben stets beeindruckt bleiben.

WOLFGANG AMADEUS MOZART

Mozart emanzipierte sich von einer durchgestylten Jugend als musikalisches Wunderkid an den absolutistisch geprägten Höfen seiner Zeit. Er lebte seine Kunst und sein Genie auf seine eigene ganz besondere Weise und zahlte einen sehr hohen Preis dafür, von dem ich vermute, dass er um seine kurzlebige Endgültigkeit wusste.

Ich selbst bin aus verschiedenen Gründen unmusikalisch, aber – neben durchaus anderen – erreicht die Musik Mozarts mein Innerstes und schenkt mir die besten und tiefsten Gefühle.

IMMANUEL KANT

Niemals aus seiner Heimatstadt Königsberg wirklich hinaus gekommen, erkannte er mit großer Weisheit und Weitblick Grundlegendes für unser Leben, das weit, sehr weit über seine Zeit hinausreichte. Er, und nicht etwa der sich selbst beliebig widersprechende Nietzsche, ist mein liebster Philosoph deutscher Sprache.




Descartes, Locke & Rousseau

Sind weitere Philosophen, deren Werk mich inspiriert. Sie erklären die Prinzipien des Zusammenarbeitens und der Gesellschaft. An ihren Einsichten hat sich im Wesentlichen nichts geändert. Das tickt heute genauso wie zum Beginn der Neuzeit.

Georg Büchner,  Heinrich Heine, Klaus Mann, Heinrich Böll …





Diese nenne ich stellvertretend für viele Autoren ähnlichen Geistes und literarischen Charakters. Sozusagen als Gegenentwurf  zu Goethe, Thomas Mann etc. – Ich selbst würde gerne schreiben wie jemand noch längst ungenanntes, aber das passiert nicht so einfach. Das muss in einem stecken und dann auch noch zu den Umständen des Projekts passen.

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Natürlich lassen sich viele weitere Persönlichkeiten listen. Dies ist keine Auswahl der besten Menschen, sondern nur ein kleines Stück meiner persönlichen Inspiration. Als Kind  fand ich z.B. Alexander d. Großen ganz toll, … erwachsen sehe ich das differenzierter. Anderes auch.

Logischerweise gibt es auch eine Liste von nicht besonders inspirierenden Persönlichkeiten: Die Monster der Weltgeschichte gehören natürlich dazu wie Hitler, Stalin, die Konquistadore, Nero, etc. … Ihr wisst schon. Im sehr viel Kleineren sind das Typen wie Tallyrand, Bismarck, Adenauer, Kohl, Bush Jr. etc.

Wir gehen alle unseren Weg und sollten dabei möglichst unseren Inspirationen, Ideen und persönlichen Visionen folgen.

Dies ehrlich, aufrecht und geradeaus zu tun ist aller Ehren wert. Ganz gleich, ob nach außen erfolgreich oder im stillen kleinen Umfeld. Es kommt auf das echte Tun an, … nicht auf irgendwelches  Getue. Das hat mein verstorbener Vater im Grunde sehr weise immer schon gewusst.

Montag, 24. Oktober 2011

Zwischenruf zu einer Meldung mit Beigeschmack (KW43 / 2011)


Wie entledige ich mich als Unternehmen zur Gewinnsteigerung gleich einer ganzen Mitarbeitergruppe und lasse es so aussehen, als könne ich selbst gar nichts dafür?

Eine wahrlich so ernsthafte wie heikle Aufgabe, die allenthalben Spitzenmanager und Vorstände beschäftigt. Die Entrüstungsstürme sind immer so heftig, und schlecht fürs Image ist es ja auch.

Wie es gehen kann, macht jetzt DIE BAHN vor. Die teilt nämlich heute (24.10.2011) mit, das Schalterpersonal alsbald in weiten Teilen abzubauen. Und der Grund dafür ist nicht etwa eine herzlose oder serviceschwache Personalpolitik des Unternehmens, sondern vielmehr der herzlose Bahnkunde. Der nämlich nutze das tolle Schalter- und Beratungsangebot der Bahn einfach nicht mehr, sondern kaufe die Tickets an den Automaten oder im Internet.

Wow! Was für unsoziale Kunden, die es so weit treiben, dass die Bahn gar nicht anders kann, als die Leute schweren Herzens gehen zu lassen. Und dabei hätte der Kunde sich doch nur einen Moment für den Schalter zu nehmen brauchen, um nicht nur seine Bahnreise zu bekommen, sondern auch etwas für Arbeitsplätze zu tun.

Soweit die Meldung von heute.

Als ich vor ca. zwei oder sogar drei Jahren (ich selbst betrete nach Möglichkeit keinen Zug der deutschen Bahn, aber das ist eine andere Geschichte) für meinen Sohn eine Fahrkarte zur Oma kaufte, hat sich am Schalter folgender Dialog zugetragen:

Schalter: „Das macht dann hier bei mir XX,50 Euro mit Reservierung. Sie sparen aber noch einmal 5 Euro, wenn Sie die Fahrkarte in der Halle am Automaten lösen.“

Ich: „Wie bitte?“

Schalter: „Am Automaten draußen ist der Fahrschein für diese Verbindung 5 Euro günstiger“.

Ich: „Ich verstehe nicht. 5 Euro weniger am Automat keine 10 Meter weiter. Das ist doch nichts anderes als eine Attacke auf Eure Jobs hier. Und Sie schicken uns auch noch dahin?!“

Schalter: „Ich bin verpflichtet darauf hinzuweisen“.

Ich: „Aber es richtet sich gegen den eigenen Job“.

Schalter (fühlt sich mit dem Gespräch nicht wohl): „Ich weiß.“

Ich: „Dann hätte ich jetzt bitte gerne die Fahrkarte, für die Verbindung, die Sie herausgesucht haben“.

Ich bekomme die Fahrkarte mit den Worten: „Bitte sagen Sie, dass Sie auf das automatisierte Angebot hingewiesen worden sind, wenn Sie gefragt werden“.

Ich denke, das ist selbsterklärend, was die Vorgänge im internen Hintergrund dieses Unternehmens angeht.

Dieser Stellenabbau jetzt ist bereits langfristig geplant bzw. seine Ursachen bewusst in die Wege geleitet worden. Diese Meldung heute ist im Tenor ebenso verlogen wie verheuchelt! Das ist mein Kommentar.

Nächstens erfahren wir dann wahrscheinlich, dass die sogenannte Eurokriese an der diesjährigen Preisrunde zu Weihnachten schuld ist, oder auch dass die Züge statistisch immer pünktlich sind.

Zwischenruf zur Occupy-Bewegung (KW42 / 2011)


Occupy-Wallstreet, Occupy-Frankfurt, Occupy-Berlin, Occupy-Together, ….

Gut so und richtig! Breitet Euch nur aus und globalisiert Euch rund um die Welt, denn es war die ach so dolle Globalisierung, die alle diese neuen neokapitalistischen Finanzgeschäfte erfunden hat mit an moralischer Perversion kaum zu überbietenden Spitzen.

Es wird mit sogenannten Finanzprodukten regelrecht gewettet auf Krisen, auf Staatspleiten, auf Ratingabwertungen und aus alles, was daran hängt …; kurz, es wird in dieser virtuellen Wirtschaft Geld gemacht mit dem bewusst herbeigeführten Schaden an Volkswirtschaft, Arbeit und Wohlstand, an Unternehmen, Gesellschaften und Existenzen. – Das ist moralisch und ethisch praktisch nicht in Worten zu formulieren. Das sind Leute, die Vermögen zocken, in dem sie vernichten, was die Werte und das Geld, mit dem sie herumspielen, überhaupt erst generiert. Perversion pur! Aber das kümmert nicht, denn diese Leute glauben ja daran, längst weitergezogen zu sein, wenn die Folgen zuschlagen. Sie meinen damit nichts zu tun zu haben, … es ist ja nur ein Geschäft gemacht worden.

Unsere Regierungen? Wie gehen die mit den abstrusen Investments der Banken und diesen irren und virtuellen Scheinprodukten um? Sie kaufen tatsächlich wieder und wieder diese Banken und Typen frei, die gegen unsere Gesellschaften nicht vorhandenes Geld und nicht vorhandene Geschäfte erfinden, und die damit zugrunde richten, was Menschen erarbeiten.

Wir haben es ja alle erlebt und sehen es nun in Rekordzeit schon wieder zumeist fassungslos mit an. Mitunter vom Wirtschaftlichen her absolut grundlos entstehen in der Folge auch noch Absatz-, Konjunktur- und schließlich Jobkrisen.

Und dann? Regeln, Gebote oder Steuern im Rahmen solcher Geschäfte? Fehlanzeige!! Global und weltweit Fehlanzeige. – Warum? Schwer zu verstehen, aber ganz bestimmt wert, es eines Tages herauszufinden.

Recht so, Ihr Leute! Geht auf die Straßen, blockiert die Bankenviertel und campiert vor den Eingängen dieser Institute ohne Verantwortung und Gewissen. – Macht weiter! Vielleicht nicht morgen schon, aber bestimmt ganz bald stossen wir übrigen Bürger zu Euch statt nur warme Getränke und Decken zu bringen wie bisher. Dann sperren wir die Zocker aus den Banken aus und die Vorstände zum Nachdenken ein. Um ganz sicher zu gehen, sollte auch der Strom und das Netz zu den Zockerterminals gekappt werden, auf dass die reale Wirtschaft, auf dass Produktion, Handel und auch ein bisschen Wandel wieder ihren Zwecken nachgehen können.

Ach ja! Mit solcher Erfahrung im Rücken kann natürlich ein wenig Besinnung auf die inneren Werte einer sozialen Marktwirtschaft nicht schaden. Die Gesellschaften Europas sind einst damit gar nicht so schlecht gefahren.

Auch die zur Zeit merkwürdige Regierungssympathie für die Occupy-Bewegung in den Nachrichten ist unehrlich und wohl ebenfalls einem Interesse geschuldet, das eigentlich nicht den Anliegen der protestierenden Menschen dienen kann.

Wie komme ich denn zu so einer ketzerischen Ansicht? Sehr Einfach!  Wie geht man denn normalerweise mit nicht gewünschten Protesten um, z.B. Stuttgart 21?! – Erinnert Euch doch nur einmal an diese Schülerdemo 2010, die in Gewalt, Chaos und Opfern endete.

Besserenfalls darf man vermuten, dass die Regierungen dankbar sind für diesen Druck auf die sogenannte Finanzindustrie, deren Gebaren sie aus schierer Hilflosigkeit oder der Stärke ihrer Lobbyisten längst nicht mehr selbst in den Griff bekommen.

Schlechterendings geht es der Politik halt darum hier den eigenen Kopf mal eben dankbar aus der Schlinge dieser Misere zu ziehen, bzw. für das eigene Versagen oder sogar auch Befeuern dieses Wahnsinns politisch nicht mitblechen zu müssen.

An diesem Sonntag (23.10.2011) waren Helmut Schmidt und Peer Steinbrück in der Sendung von Günter Jauch. Der ja durchaus für markige und prägnante Worte bekannte Herr Steinbrück drückte die gängige Praxis des Komplexes mit diesen Worten durchaus richtig aus: Gewinne werden privatisiert und Schulden sozialisiert. Mit anderen Worten, erfolgreiche Risikospekulationen landen in Steuerparadiesen, Yachthäfen oder Luxusanwesen auf Malle, verzockte Milliarden hingegen bei der Steuergemeinschaft.

Weiter so Occupy! – Ich geh‘ gleich mal in den Keller und sehe nach, ob das alte Biwakzelt und der Campingkocher noch taugen, mit denen wir früher einmal unterwegs waren …

Freitag, 21. Oktober 2011

Zwischenruf zum Tod eines Beduinen (KW42 / 2011)


Es ist die Nachricht an diesem Donnerstag im Oktober. Muammar al-Gaddafi ist in seiner Heimatstadt Sirte gefunden, gestellt und schließlich getötet worden. Die Versionen über das wie und auf welche Weise sind je nach Informationsinteresse zwischen Nato und Rebellen noch recht widersprüchlich.

Es ist die Nachricht des Tages, aber die Welt nimmt sie dennoch recht emotionslos und gelassen entgegen, weil natürlich längstens irgendwann erwartet. Mir ergeht es genauso, ich nehme die Nachricht auf eben diese Weise wahr.

Mit dem gleich nächsten Gedanken erhoffe ich mir allerdings, dass das Sterben in diesem mittlerweile bald schon endlosen Kampf um die Befreiung von dem Regime des Despoten nun endlich ein Ende haben wird, denn es zeichnet sich psychologisch die Perspektive ab, dass mit dem Tod des Diktators der letzte Sinn dieses Kampfes erlischt. - Das wäre dann in der Tat die richtig gute Nachricht des Tages.

Gaddafi, dieser Mann, der – anders als die ehemaligen Machthaber in Tunesien und Ägypten – kein Einsehen in das Ende seiner Herrschaft haben wollte, sondern schon zu Beginn des Aufstandes gegen ihn ankündigte, dass er notfalls bis zum Tode das eigene Land in Blut tauchen würde. Na ja, das hat er dann auch bis zum Schluss durchgezogen. Eine letzte, grausame Schäbigkeit dem eigenen Volk gegenüber. Gut, dass es vorbei ist.

Mögen alle Libyer – ob vormals auf dieser oder jener Seite – ab dem kommenden Tag nun damit beginnen, die Wunden zu versorgen und an der Zukunft wie auch der inneren Eintracht ihres Landes zu arbeiten.

Ich weine dem Typen Gaddafi weiß Gott keine Träne nach, aber natürlich ist der gewaltsame Tod eines Menschen auch niemals Anlass zum Jubeln. Egal ob durch Unfall, Mord, Krieg, Totschlag etc., das gewaltsame Ende eines Lebens ist immer schlimm. Im Fall Gaddafi kommt der moralisch schwierige Umstand hinzu, dass sein Tod sehr wahrscheinlich das gewaltsame Ende vieler anderer Menschen verhindern wird. Dafür werde ich dankbar sein, … aber den unnatürlichen Tod feiere ich trotzdem nicht. Ich hoffe, das ist zu verstehen.

Wie erinnern wir uns an Gaddafi? – Die Älteren unter uns wahrscheinlich an seine früheren Bemühungen um die Führerschaft in der arabischen Welt, gipfelnd in grässlichen internationalen Attentaten (z.B. Lockerbee 1988, Disco LaBelle/Berlin 1986), dazu Heimstatt sogenannter Terrorcamps in der Wüste, bevor die später weiterzogen. Dann die geläuterte Kehrtwende aufgrund strategischer Erfolglosigkeit und sicher auch, weil andere arabische Staaten mit ihren Westbündnissen besser dastanden. Nicht zuletzt wegen des gewinnreichen Geschäfts (Öl & Gas), das – wer will es bezweifeln – die großen Handlungsmotive der Welt seit dem Ende des eisernen Vorhangs prägt. Dazu die Exzentrik dieses Mannes, der mitunter auf Staatsbesuch im Beduinenzelt campierte.

Meine persönlich älteste Erinnerung an Gaddafi ist die Aufnahme des ugandischen Schlächters (damals sein „Bruder Oberst“) Idi Amin in seinem Reich. Das war in den 70er Jahren und Gaddafi noch ein junger Diktator, von denen es zu jener Zeit sehr viele gab auf dem afrikanischen Kontinent, dessen Länder gerade erst nach und nach die koloniale Unabhängigkeit erlangt hatten. Schlecht vorbereitet und zumeist mit jenen tragischen Folgen, wofür den ehemaligen Kolonialmächten durchaus einiges an Mitverantwortung anzurechnen wäre.

Die Menschen in Libyen empfinden und erinnern sich wahrscheinlich ganz anders: Unterdrückung, Angst, Unfreiheit der Meinung, Pfründe für die Willigen, maßlose Gier, Folter, Gewallt, Willkür und alle Merkmale, die die Eigenschaften der Tyrannei beschreiben.

Abgesehen vom Umgang des Westens und der Welt mit Gaddafi, sind noch ein paar kritische Worte zum Verlauf dieses Bürgerkriegs an seinem voraussichtlichen Ende angebracht. – Die Ausgangslage war schon zu Beginn des Jahres in ihrem ganzen Ausmaß klar, wurde mit politischen Statements auch beschrieben, … aber doch im Leid der betroffenen Menschen ignoriert. Ich behaupte bewusst, denn das absehbare Drama der kommenden Gewalt war bereits vielfach bekannt in der Geschichte der Welt.

Ketzerische Rechnung: Wie viele Menschen sind in diesem Bürgerkrieg gestorben, wie viele verletzt worden? Wie viele Existenzen sind sozial oder wirtschaftlich vernichtet? – Statt irgendwann im März oder April mit dem Bomben auf die Köpfe der Leute anzufangen, hätte man nicht genauso gut schon im Januar oder Februar das Regime beenden können, in dem man mit einer einzigen Kommandoaktion den Kopf vom Rumpf trennte? Das wäre sehr möglich gewesen. Ohne Gaddafi und die Seinen kein blutiger Krieg über 8 Monate. Ich bedaure jede Gewalt, aber in Abwägung der Alternativen hätte ich hier ein solches wirklich entschlossenes Verhalten vorgezogen. Das Regime wäre ohne dieses Gemetzel zu beseitigen gewesen, aber wie Militärszenarien es nun einmal vorsehen und beschreiben, werden in unseren Tagen das eigene Risiko höher bewertet als mögliche Kolateralschäden. – Im Grunde völlig korrekt gedacht, aber eben doch auf Kosten des Leids und menschlichen Verlustes im Rahmen eines solchen Dramas? Sehr, sehr fragwürdig, menschenverachtend und die verantwortlichen Entscheidungsträger wussten mittels ihrer Szenarien darum.

Hoffentlich erlebt dieses reiche, aber geschundene Land nun seinen „arabischen Frühling“ und einen langen Sommer dazu. Hoffentlich finden die Menschen zur Versöhnung miteinander und zur Heilung ihrer Gesellschaft.

Donnerstag, 20. Oktober 2011

Thema 2: Unser einig Vaterland (KW42 / 2011)


Ich habe mich in der ‚alten BRD‘ vor 1990 wohler gefühlt“.

Wer diese Worte liest, der mag mit Unverständnis reagieren oder den, der dies sagt für einen Vereinigungsgegner bzw. bestenfalls für einen Gute-alte-Zeit-Romantiker halten. Aber das stimmt weder in der einen, noch der anderen Richtung. Was ich in diesem Satz sage, ist tatsächlich wörtlich gemeint; ich habe mich in jenem Staat damals wohler gefühlt als in diesem von heute, denn es ist nicht mehr das gleiche Land. Und um es vorweg zu nehmen, das hat nicht ursächlich mit der Tatsache der deutschen Einigung oder den 15 Millionen Menschen zu tun, die zur Bundesrepublik hinzugestoßen sind. Nein, das ist es nicht, aber die politische Umsetzung der Wiedervereinigung und wohl auch der Umgang mit dem Ende der Ost-West-Konfrontation schufen Bedingungen und Ergebnisse, die ich mehr und mehr als eher kläglich empfinde.

Warum? – Gerne gebe ich euch ein paar Hinweise ohne Anspruch Vollständigkeit oder gesamtpolitische Erklärung.

(1)
Die alte Bundesrepublik war formal kein komplett souveräner Staat, weil nach dem 2. Weltkrieg aufgrund der konfrontativen Ost-West-Entwicklung keine wirkliche Regelung entstand, sondern nur ein Status Quo. In Gesellschaft, Wirtschaftsleben und Alltag merkten wir das kaum. Dennoch gab es bestimmte Unterschiede zu anderen normal souveränen Staaten. Sichtbare und nicht so sichtbare. Am Besten lässt es sich heute vielleicht rund um die ganzen Besonderheiten von Westberlin und der Tatsache veranschaulichen, dass es die Stadt überhaupt so gab.

Nicht so deutlich sichtbar waren andere Eigenschaften des Landes. Die aber hatten etliches für sich:

Es war das einzige führende Industrieland, das sich (trotz Wiederbewaffnung / spezielle Episode) nicht ständig in kriegerische Scharmützel bis Kriege verwickeln ließ.

In Krisenregionen engagierte sich das Land vor allem humanitär, aufbauend und nachhaltig unterstützend. Die Bundesrepublik erwarb sich hierbei zu Recht den allerbesten Ruf in der Welt. Vor allem im Rahmen von Uno-Einsätzen – welche zu jener Zeit tatsächlich noch humanitär etwas bewegten – und natürlich im anschließenden Folgeengagement.

Auf dem diplomatischen Parkett waren es auch eher die leisen und fein ausgleichenden Töne, welche nach Kompromissen und gangbaren Lösungen suchten. – Gerade hier entstand mit den Jahren damals eine weltweit exzellente Reputation. Deutschland war ein hochgeschätzter Gesprächspartner und Vermittler, mit dessen Rolle man sich auch als Bürger einigermaßen wohl fühlen konnte. Kein polternder Anwärter auf ständigen Sitz im Sicherheitsrat.

Haltet mich nun bitte nicht für unkritisch oder naiv. Selbstverständlich gab es auch andere Aspekte, sonst wären wir für gewisse Themen ja nicht derart auf die Straße gegangen.
Da war natürlich die Sache mit der erzwungenen und krampfhaft immer mehr ausgeweiteten Wehrpflicht (wir nannten es Kriegsdienst). Da war auch die unselige Rolle, welche das Land v.a. bei den späten Rüstungsrunden zwischen Ost und West spielte. Da war das politisch mitunter ziemlich hysterische Geifern und die ein oder andere internationale Posse, wenn es auch nur ansatzweise um Statusfragen im Rahmen der sogenannten „Deutschen Frage“ (Oder-Neiße-Grenze etc. pp.) ging.

Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen: In meinem Schulatlas (70iger Jahre) war Deutschland ausschließlich in den Grenzen von 1937 zu finden; die wirklichen Grenzen (Polen, Sowjetunion, DDR) nur ein wenig eingestrichelt.

Zugegeben, so war sie auch, diese alte BRD …

Trotzdem aber in gewisser Weise zum Wohlfühlen. – Ich erinnere z.B. das Gespräch mit einem Iren während eines Sommers in den frühen 80ger Jahren am französischen Atlantikstrand. Der sagte, dass die Deutschen ein so großes, starkes und stolzes Volk (mit Anspielungen auf Wirtschaft, Geschichte, Taten, na ja) wären, aber alle, die man trifft, seien einfach kein bisschen stolz auf ihr Land. Ich antwortete: „Siehst Du, genau das ist es doch. Ich bin ziemlich stolz darauf, in dieser martialischen Welt nicht stolz sein zu müssen auf mein Land.

(2)
Die alte Bundesrepublik war im Inneren ein Land, das nach furchtbarer Geschichte und – zwar wirtschaftlich schnell auf den Beinen – gesellschaftlich einem holprigen, z.T. unehrlichen Stotterstart (Altlasten in mitunter Kernfunktionen / innere Verweigerung der Auseinandersetzung) über diverse Prozesse und Erfahrungsmomente hinweg eine stabile und einigen Zusammenhalt bietende Gesellschaftsstruktur in den letzten 10 – 15 Jahren vor der Einheit entwickelt hatte. Nicht perfekt und natürlich übersät mit Baustellen, aber das muss ja auch so sein und geht im Leben schließlich immer weiter. Nein, ich meine, es war ein Land geworden, dessen innere Strukturen endlich relativ gesund waren und welche man eigentlich gegen kein anderes Landes mit vergleichbaren Grundbedingungen eintauschen wollte. – Kein Witz.

Nicht perfekt, aber die Bundesrepublik war ein Land, in dem sich etwas bewirken und bewegen ließ. Und zwar in der ganzen Bandbreite des Spektrums. Trotz oder gerade wegen der ganzen Auseinandersetzungen in der sich suchenden Gesellschaft: 68 (eigentlich ein Generationenkonflikt mit aktuellen Zeit- bzw. Folgeaspekten der fehlenden Aufarbeitung und des Wegschauens der Eltern), APO, Feminismus, Friedens- und Ökologiebewegung (mit Quantensprung in der Umwelttechnik und auch den Grünen als Folge) und vielen kleinen Effekten mehr.

Noch Ende der 80ger Jahre erlebte ich während des Studiums selbst, dass sich mit Anliegen und Zielen durch einfaches, nicht etabliertes Engagement Dinge deutlich und konstruktiv bis z.B. in die Gesetzgebung hinein verändern ließen. Das kann ich mir in dieser aktuellen Bundesrepublik so nicht mehr vorstellen.

Besonders wichtig ist mir Folgendes:

Die Gesellschaft war sozialer, solidarischer und der allgemeine Zusammenhalt selbst von Menschen am jeweilig anderen Ende der Gesellschaftsskala einfach besser. Klar, es gab ab der Realität nach Aufbau- und Wirtschaftswunder auch die Arbeitslosigkeit, aber das war für den Einzelnen auch im fortgeschrittenen Alter kein unüberwindbares Schicksal wie heute, denn es gab noch Raum und Wahrnehmung für das, was jemand leisten und beitragen konnte.

Vor allem gab es in dieser Gesellschaft die notwendige unternehmerische bzw. gesellschaftlich gelittene Verantwortung für teilnehmende Menschen und nicht nur die jetzt übliche Gewinnmaximierung, welche (beginnend in der Produktion) global orientiert erst den Menschen links liegen lässt und irgendwann am Ende auch das Produzieren und Werte schaffenselbst, weil zunächst Finanzgeschäfte und schließlich diese irreale Scheinwirtschaft alles versprechen für angeblich mehr Rendite. Bis erst Gesellschaft und anschließend System und Wirtschaft implodieren. Wofür das alles? Für längst verlorene, aber verlogen immer weiter geheuchelte Werte.

Ich meine, Deutschland hat dieser weltweit einsetzende Effekt neben vielleicht den USA am Stärksten getroffen. Das wäre der alten Bundesrepublik dem Charakter nach nicht widerfahren.

Die frühere BRD war bis zum Schluss und auch über die damaligen Wirtschaftskrisen hinweg wahnsinnig erfolgreich. Das lag nicht zuletzt an der besonderen Konstruktion dieses Staates. Keine Altlasten in der Produktion, weil nach dem Krieg alles kaputt war; Hunderttausende oder Millionen von Flüchtlingen, die ein Leben neu aufzubauen hatten; nicht Schuldenschnitt – wie es heute heißt – aber Marshallplan, der mit zwar bescheidenen Mitteln, aber ganz von vorne und irgendwie unbelastet anfangen ließ, was den Erfolg erklärt, seine Nachhaltigkeit aber noch nicht begründet. Die besteht nämlich in der Leistung, sich innerhalb des Konglomerats der damaligen Ost-West-Welt als Gesellschaft über einige Jahrzehnte hinweg – zwar mit Schwierigkeiten – aber doch zusammen gefunden und definiert zu haben.

Auch das Innenpolitische zur alten BRD möchte ich allerdings nicht im Verdacht naiver Nostalgie abgehandelt wissen:

-      Das dumpfe ‚jetzt muss aber endlich Schluss sein mit der Vergangenheit‘ schon Anfang der 50er Jahre war weder angebracht noch segensreich.

-     Die Wiederbewaffnung (Bundeswehr – ich mag allein stehen mit dieser Meinung) 1957 war eine richtig verpasste Chance auf ein modernes Staatswesen ganz neuer Prägung. Diese Armee hat weder etwas bewirkt noch eine notwendige Rolle gespielt. Blauhelme wären auch im Rahmen von BGS-Einheiten vorstellbar gewesen. – Bitte stellt Euch die neue BRD-Geschichte nach 90 als Industriestaat ohne Bundeswehr vor. Da käme einiges an politischen Möglichkeiten zustande. Die BRD in der natürlichen und glaubwürdigen Rolle desjenigen, der vermittelt, ausgleicht und Kompromisse schafft. – Wer weiß? So ein Staat wäre vielleicht auch würdiger Kandidat für den Sicherheitsrat (nicht wahr Frau Merkel / Ironie!)

-     Der Umgang mit dem – man muss es heute so sagen – besonderen deutschen Terrorismus war gerade in der Frühphase politisch und von der Exekutive her nicht so schlau, denn es handelte sich zunächst ja gar nicht um Terrorismus.

Wären eigenes Fehlverhalten (öffentliche Eskalation/Gewalt/resolute Reaktionen) im Vorfeld besser bewertet worden, hätten hoffnungslos radikal orientierte Menschen wie Baader und Ennslin (und andere) niemals ihren Nährboden und die v.a. im Terrorjahr 77 wahnwitzig irregeleiteten Folgetäter finden können.

Mir persönlich gibt es seit jeher zu denken, dass eine intellektuelle und bekannte Journalistin wie Ulrike Meinhof (die übrigens niemals jemanden verletzte oder bombte oder mit Waffen gewalttätig wurde) in den terroristischen Untergrund (der Sprung aus dem Fenster ist bekannt) geriet, aber aus der Sache nie mehr herauskam, sondern zur Autorin der „Stadtgerilla“ und an anderer Schriften wurde.

-     Der Radikalen-Erlass und das verbundene Berufsverbot waren in der Tat keine Ruhmestaten der Republik. – Sie lernte aus den nicht segensreichen Ergebnissen, ohne dies freilich zuzugeben.

-     Ein Gesetzbuch, das im Kern irgendwo in der Zeit des letzten Kaisers stehen geblieben war, und – vorsichtig formuliert – mit der Entwicklung von Gesellschaft und System nicht mehr mitkam. Ein Zustand, in dem wir uns 20 Jahre nach der deutschen Einheit noch immer befinden.

Am Ende der damaligen Auseinandersetzung hatte die Bundesrepublik in ihrer Gesellschaftsentwicklung entscheidend profitiert, denn wichtige Verkrustungen aus der Zeit v.a. vor den Nazis wurden seinerzeit in den 80ern aufgebrochen (schon erwähnt: Grüne, Umwelt + Technologie, Friedensbewegung) und Deutschland als bisher eher konservatives Beharrungsland erstmals weltweit führend in einer neuen Gesellschaftsentwicklung.

Das Land profitiert davon noch jetzt, hat aber entsetzlich viele der möglichen Chancen verspielt, die nicht mehr wirklich aufzuholen sind. Ich könnte heulen …

Ein wenig umständlich erläutert vielleicht, aber ich hoffe doch, Ihr könnt es nun etwas besser nachvollziehen:

Ich habe mich in der ‚alten BRD‘ vor 1990 wohler gefühlt“.



Montag, 17. Oktober 2011

Zwischenruf zur „Frauenquote“ in DAX Konzernen (KW42 / 2011)


Heute (17.10.2011) ist es neben der Protestbewegung Occupy Wallstreet (auch ein reizvolles Thema, aber ich habe mich gerade erst zur Eurokrise ausgelassen) das beherrschende Nachrichtenthema:

Einführung oder Nicht-Einführung einer Frauenquote in Führungspositionen großer Unternehmen!

Und zwar geht es darum, ob man das Ziel von rund 30 Prozent nun gesetzlich regeln soll, denn ein solcher Frauenanteil in Führungspositionen ist in den nordeuropäischen Staaten und in dem wichtigsten Nachbartland Frankreich längst Realität. Die Arbeitsministerin von der Leyen ist für eine solche gesetzliche Regelung. Ihre Kabinettskollegin Schröder aus dem Familienministerium präsentiert dagegen eine Befragung der Dax-Unternehmen, in deren Ergebnis diese erklären, sich freiwillig auf ungefähr eine solche Quote selbst verpflichten zu wollen. Die Dame stellt dies stolz als eine eigene Idee vor, die funktionieren werde.


Liebe Leute, dieser Zwischenruf fällt leicht:

DIE NUMMER IST AN LÄCHERLICHKEIT UND NAIVITÄT ECHT NICHT MEHR ZU ÜBERBIETEN!

Wenn es der erste Versuch zu einer „freiwilligen Selbstverpflichtung“ mit der deutschen Industrie wäre, meinetwegen. Immer noch naiv, aber meinetwegen. – Wir alle jedoch mussten unter schwarz-gelben Administrationen (denn es handelt sich um ein beliebtes Stilmittel gerade dieser Regierungen, mit dem die entsprechenden Lobbypartner bei unliebsam aufgekommenen Themen besänftigt werden) diese tollen Selbstverpflichtungen schon vielfach ertragen und v.a. bezahlen: Nachgang der Wiedervereinigung, Euroeinführung, Einzelhandel, Banken, Energiekonzerne und so weiter und sofort.

Nachgerade absurd, sich zu erfrechen, so ein Ding schon wieder auf den Tisch zu legen. Soll man daraus jetzt schließen, dass Bürger, Wähler, Konsumenten, Arbeitnehmer und normale Menschen von Lobbyisten, Politikern und Industriellen tatsächlich für blöd gehalten werden?

Nun ja, wie dem auch sei und in der Folge noch werden wird, sollte es der Fall sein, dass man zum Thema gegenüber der Familienministerin dennoch nachsichtig gestimmt ist, so darf „auf die Gnade der späten Geburt“ (Helmut Kohl zum Thema Nationalsozialismus) von Kristina Schröder (*1977) hingewiesen werden, denn nicht nur die freiwillige Selbstverpflichtung ist ein ziemlich alter Hut, sondern das Thema der Frauenquote selbst schon so um die 25 Jahre alt. Nachdem in den Parteien nämlich partout kein ordentlicher Frauenanteil zustande kommen wollte, wurden schließlich doch Quoten in die Satzungen aufgenommen. Ein Schelm, der behauptet, dass jetzt ausgerechnet die deutsche Industrie …

Nachsatz: Nicht angesprochen ist hier die Frage nach den Ursachen dafür, warum das mit den weiblichen Anteilen in anderen Industriegesellschaften natürlicher vonstatten geht als in unserem Land. – Es hat hierzulande mit Grundstrukturen und Historien zu tun, denen ich mich allerdings nach und nach anderenorts in Einzelthemen nähern möchte.

Dienstag, 11. Oktober 2011

Thema 1: Eurokrise (KW 41 / 2011)

Kann das überhaupt noch irgendwer hören? - Geht der Euro nun vor die Hunde, wenn Länder wie Griechenland, Portugal, Irland etc. (weitere Kandidaten sind ja optional auch im Rennen) insolvent werden? - Ist es im Ernst noch zu fassen, dass in "angeblich" diesem Kontext schon wieder irgendwelchen Banken mit Bad Papers "geholfen werden darf"? - Hat außer mir sonst noch jemand das Bedürfnis jenes Credo vom freien Markt im Zusammenhang mit der sogenannten Finanzindustrie (was bitte soll das für eine Industrie sein?) zumindest mal ernsthaft (!!!) mit Regeln zu versehen? - Ein paar Thesen ...

(1)
Ich bin nun wahrlich kein Wirtschaftsweiser und schon gar kein Währungsexperte, aber ich behaupte mal dreist, diese ganzen Krisentalker, Politiker, Minister etc. sind es ebenso wenig.
Für ganz Doofe  habe ich einmal gelernt, dass eine Währung im Verhältnis zu ihrer Umlaufmenge immer so stabil bzw. wert ist, wie die Wirtschaftsleistung, welche sie trägt. Wenn das also im Groben so ist (und ich bin einigermaßen sicher), dann tut die Insolvenz Griechenlands dem Euro gar nix bzw. aufs europäische Ganze nicht mehr als die Wirtschaft dort vor Ort leidet.

(2)
Da die EZB die Geldmenge staatsunabhängig kontrolliert (hoffentlich ist das so), wüsste ich also nicht, warum es eine Eurokrise geben soll; ... höchstens doch eine griechische Staatskrise.

(3)
Das berühmte Defizitkriterium des Euro-Stabilitätspaktes ist doch nur eines im Rahmen des "Regelwerkes" für unsere Währung. Ich verstehe es so, dass dieses Kriterium eine indirekte Wirkung ausübt, um bei etlichen teilnehmenden Volkswirtschaften erst gar keinen erhöhten Druck auf die Geldmenge aufkommen zu lassen.
Ein Nr 1 Kriterium also nur aus der Perspektive von Haushaltspolitikern und eher weniger für Auswirkungen auf den tatsächlichen Wert bzw. die Kaufkraft des Euro, welche für uns Bürger schlussendlich entscheidet.

(4)
Rückblende Finanzkrise - Banken überall haben tonnenweise RAMSCH (das sind Papiere, die zwar riesige Renditen versprechen, dafür aber nichts halten, weil das entsprechende Geschäft kollabiert oder gar nicht richtig existiert) im Keller, deren Ankauf ist teilweise sogar illegal (Landesbanken, Förderbanken, Sparkassen etc.) - Unser Staat jedoch erklärt uns Bürgern, dass die HRE (und andere) nicht pleite gehen darf und verfeuert Milliarden. Das Finanzsystem sei "substantiell betroffen". Mehr nicht, das muss reichen!

War es das, substantiell betroffen? Jedenfalls wohl eher nicht in der Art Nebelschwafeleien von Finanzministern bis hin zu Reservehinterbänklern. Mit einer verständlichen Erklärung hätte man doch so substantiell wie politisch gepunktet, dass selbst die eingefleischtesten Sturköpfe wie ich für die nächste Wahlentscheidung zu gewinnen gewesen wären statt Politikfrust zu schieben. - Da war etwas ganz anderes substantiell betroffen und es muss einfach ein böser Mensch sein, der vermutet, dass wir es unter dem Boden im Keller mit riesigen Hohlräumen schlicht nicht real existierender Werte zu tun haben könnten.

Real dagegen sinde die Millionenabfindungen und Prämien für Leute, die sich in jeder anderen wirklichen Umgebung des Betrugs besonderer Schwere bzw. der Veruntreuung schuldig gemacht hätten.
Auch real, aber eben nicht substantiell sind die Existenzen und Einlagen tausender gutgläubiger Anleger. Gleiches gilt für Mitarbeiter von Unternehmen wie Quelle und etlichen anderen.

Hätte man mit den Beträgen zur Bankenrettung substantiell etwas für Arbeitsplätze und Konjunktur tun können ...?

(5)
Als der Euro in 2002 zu Bargeld in unseren Taschen wurde, gab es zeitgleich Meldungen über frisierte Daten aus Griechenland, um der neuen Währung beitreten zu können. Knapp 10 Jahre später fällt die europäische Politik überrascht aus allen Wolken und diskutiert darüber, welche Vorgängerregierung es hätte besser wissen müssen.

Hängen lassen ist natürlich unsolidarisch bzw. bestraft mit dem Volk sowieso die Falschen. Tatsache ist aber, dass da ein ganzer Staat auf Kosten europäischer Allgemeinheit betrügerisch gehandelt hat. Das ist keine Bagatelle. Tatsache ist auch, dass wider alle Beteuerung die Verantwortlichen über die Jahre hinweg dies wussten und ignorierten. Tatsache ist offenbar ebenso, dass der Vertrag über die Währungsunion in gewissen Teilen (Vertragsverletzungen) das Werk monetärer Dilettanten ist, die auf Biegen und Brechen alle möglichen Teilnehmer dabei haben wollten. Dafür machten sie Vatragsinhalte offensichtlich passend.

(6)
Last not least, mein ganz persönliches Highlight, von dem zwar irgendwie keiner mehr spricht, das aber auch so etwas wie eine konkrete Eurokrise darstellt.
Während in Teilnehmerländern wie z.B. Frankreich sehr konkrete Regeln zur Preisstabilität durch den Gesetzgeber aufgestellt wurden, gab es in Deutschland (es ist dies das Land, in dem der Markt in allen Branchen völlig absprachefrei die Preise regelt) groß inszenierte, öffentliche und hochheilige Schwüre der - Achtung! - "Freiwilligen Selbstverpflichtung", die noch nicht fertig geschworen waren, als bei den Absahnern schon die Korken knallten.

Wer erinnert sich? Bevor der Euro überhaupt richtig da war, kam erst einmal der "Teuro" und mit ihm parallel zur damaligen Wirtschaftskrise (welche D nicht zuletzt aus diesen Gründern stärker erwischte als unsere Nachbarn) eine satte Kaufkraftkrise.

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Es ist wie mit allen Geschichten in unserer Welt. Am Ende erwischt es zuallererst einmal die schwächsten Glieder im System: Krankreit und Selbstmord steigen im Griechenland dieser Tage rapide an.


Den Typen, die in den Tiefen des Finanzdschungels gerade jetzt obskure Krisenwetten dealen, wird das alles herzlich egal sein.