Samstag, 30. März 2013

SERIE: EIN NEUER GESELLSCHAFTSVERTRAG - FRIEDEN (KW 13 / 2013)


Der Philosoph Jean-Jaques Rousseau veröffentlichte 1762 das Buch "Über den Gesellschaftsvertrag", welches bereits am Vorabend der frz. Revolution nicht nur deren wichtigste Grundideen vorwegnahm, sondern auch bis auf den heutigen Tag zum Ur-Standard unserer Gesellschaftsvorstellungen auf zumeist der nördlichen Hemisphäre wurde. Rousseau implizierte darin durchaus auch Erkenntnisse berühmter Vorgänger wie etwa John Locke oder René Descartes, was dieses Werk möglicherweise so genial und wegweisend werden ließ, dass es über 200 Jahre später während meiner Kindheit mehr oder weniger noch eine gewisse Gültigkeit besaß.
 

 Seit ca. zwei Jahrzehnten aber treten überall auf der Welt im Positiven wie im Negativen Entwicklungen in fast allen Bereichen des Lebens auf, die nach gänzlich neuen Lösungen verlangen. - Nach dem Fall der Berliner Mauer mit dem angeschlossenen Ende des Kalten Krieges waren die Erwartungen an ein neues, blühendes Zeitalter so grenzenlos wie die Überforderungen, die nun daraus entstanden sind. Die Entwicklung des Wortes "Globalisierung" steht stellvertretend für eine zunächst beinahe euphorische Begrüßung grenzenlos gewordener Möglichkeiten bis hin zur ganz persönlichen Existenzangst, die sich nunmehr mit ihm verbindet.

Es fehlt des Rezeptbuch der nachhaltigen Lösungen und Ideen:
Wir brauchen einen Gesellschaftsvertrag für das 21. Jahrhundert

KAPITEL 1: FRIEDEN

 

Das erst vor ein paar Jahren vollendete 20. Jahrhundert nach christlicher Zeitrechnung (diverse andere Kalender legen durchaus eigene Jahreszahlen zugrunde) war das mit Abstand blutigste Jahrhundert der menschlichen Zivilisationsgeschichte. Trotz grausamer Schlachten und blutiger Rituale in der europäischen Antike und anderswo, trotz Völkerwanderung und finsterem Mittelalter, trotz dem unvorstellbaren Gemetzel während des 30jährigen Krieges. - Nicht nur die furchtbaren Exzesse der Weltkriege 1 + 2 brachten Leid über die Menschheit, sondern ebenso eine wahre Unzahl an weiteren kleinen und mittleren Kriegen während der zweiten Hälfte des Jahrhunderts, welche noch einmal ca. die Opferzahl der Weltkriege forderte. Sei es als Bürger- oder Stellvertreterkrieg im Namen der Weltmächte, ... verlagert jedenfalls in mittunter die ärmsten Regionen der Welt und die Gründe waren wie immer vielfältig: Macht- oder Habgier von Diktatoren und Potentaten, Hunger und Durst nach Freiheit, ethnische Unterdrückung, Rohstoffe natürlich und nicht zuletzt das schon erwähnte Spiel der "Kalten Krieger" im weltweiten Kampf der Systeme (Korea, Vietnam, Afghanistan etc.).
 
Eigentlich sollte man meinen, dass mit dem Fortschreiten des zivilisatorischen und technologischen Wissens im Sinne der Evolution auch das Mörderische und Kriegerische sich mehr und mehr zu einer friedfertigeren Konfliktbewältigung hin entwickelt. Leider weit gefehlt, mit dem Wissen wurden nur die Waffen und das Geschäft damit noch perfider. - Atombomben, ... dazu ethisch völlig pervertierten B- und C-Waffen. Lenksysteme, Raketenschilde, Tarnkappenflieger; aktuell sind Drohnen der letzte Schrei oder auch schon wieder nicht mehr. Was weiß ich. Händlerringe und Schmuggel bis in die letzten Winkel des Geschäfts mit der Gewalt.
 
Das 20. Jahrhundert - so viel es auch bewegt, erreicht und verändert hat - war zum Thema 'Krieg und Frieden' sicher keine Epoche, an die die Menschheit später gerne erinnert werden möchte.
 
Dann aber kamen die friedlichen Revolutionen des Jahres 1989 !! EIN PAUKENSCHLAG ! Wer hätte kurz zuvor sich erträumen oder auch nur erdenken können, dass diese größte aller systemischen Auseinandersetzungen mit Kriegen allenthalben und dem Säbelrasseln aus so und so viel  Erdvernichtungspotential auf diese Weise geradezu banal in einer gigantischen Party endet, zu der sich alle erst einmal gegenseitig in die Arme fallen. Einen solchen Träumer hätte man noch ein Jahr zuvor ins Reich der Spinner verwiesen. Trotz Gorbatschow und dem Wissen darum, dass dieser Systemkrieg den Osten geradezu ausbluten lässt.
 
WAS FÜR EINE CHANCE,  WAS FÜR EINE GELEGENHEIT !!
 
Kein Zeitzeuge, der nicht über Monate hinweg damals mit dem Gänsehautgefühl durch die Gegend gelaufen wäre, zu einem ganz besonderen Augenblick der Weltgeschichte dabei bzw. sogar mittendrin gewesen zu sein. Als Deutscher wurde man plötzlich überall in der Welt beglückwünscht, gar beneidet. Es war vom glücklichsten Volk der Welt die Rede. Ich finde allerdings, dass man da all die anderen betroffenen Völker nicht vergessen sollte: Polen, Tschechen, Slowaken, Ukrainer, Russen, Balten, Rumänen, Ungarn, Bulgaren, Kasachen und all die Turkvölker etc.
 
Nicht allen hat die neue Zeit wirklich Glück gebracht. Nicht für alle Völker haben sich die gigantischen Hoffnungen erfüllt. Z.B. nicht für die meisten der Ethnien Jugoslawiens, auch nicht für Weißrussen und Ukrainer. Weder für Tschetschenen, Afghanen oder die Mehrzahl der asiatischen Sowjetrepubliken brachte die neue Zeit Frieden, Glück oder etwa Wohlstand. An manchen ging der weltweite Wandel gar ganz vorbei, z.B. Nordkorea oder überwiegend auch Kuba. China wandelte sich, wurde ziemlich geschickt reich, gab und gibt aber diesen Reichtum nicht an seine Menschen weiter. Bildung und Freiheit natürlich auch nicht bzw. nur in dem Maß wie es dem Profit nützt. Afrika und Südamerika sind unterm Strich eher sogar Verlierer, da die Bedingungen der neuen Zeit sie als Partner aus dem Business Plan herausstrichen, was viele Probleme verschärfte. Aber das ist ein anderes Thema. Auch die Gewinnler, Absahner und Heuschrecken sind an anderer Stelle zu "unwürdigen".
 
Zurück zum Aufbruch, zur Chance von 1990.
 
Wie so viele Menschen rund um den Erdball war ich damals extrem angetan davon, dass sich die Spannung des Kalten Krieges einfach so in Wohlgefallen aufgelöst hatte. Dass es viele gab, die den Erfolg für sich einforderten - sei es als Aufrüster für das sogenannte "Gleichgewicht der Kräfte", sei es als Verfasser von 10-Punkte-Plänen für die Einheit, sei es als Papst oder Präsident hüben wie drüben - war mir herzlich egal. Ich fand, dass unglaublich mutige Menschen im Rahmen einer letztlich länderübergreifenden Kaskade schier Unfassbares miteinander erreicht hatten. Für mich lag der Anfang vom Ende dieser Epoche des Kalten Krieges in der polnischen Gewerkschaftsbewegung ab 1980. Frühere Aufstände und Bewegungen sind mir dabei auch bewusst (z.B. 54, 56, 68, 70 etc.), jedoch blieben diese ohne nachhaltigen Effekt. Über die 80er Jahre kamen vermehrt Abwanderung, Botschaftsbesetzungen und breite innere Abkehr (z.B. "Schwerter zu Pflugscharen") hinzu, bis ein Auslöser (Wahlfälschung Kommunalwahl 89) das Fass zum Überlaufen brachte. Gorbatschows Rettungsversuch durch Glasnost, Perestroika und Reformen kam ab Mitte der 80er Jahre viel zu spät und arbeitete sich nicht zuletzt an ewig gestrigen Betonköpfen ab.
 
Ostdeutschland, Tschechien, Polen und vor allem RUSSLAND. Nie hätte ich gedacht, dass ich diese Länder, Orte, Kulturen einmal mich frei bewegend und mit Jubel im Herzen besuchen würde. Ab 1990 jedoch war es soweit und es war extrem einfach, denn die Menschen dort, respektive die Studis in unserem Fall, waren ebenso neugierig auf die andere Welt hinter dem zerrissenen "eisernen Vorhang" wie wir. Auf diese Weise bin ich damals tief nach Osten vorgedrungen bis immerhin fast an die mongolische Grenze im Altai Gebirge zu einer Zeit, als der anschließende Rückflug nach Moskau über 4000 Kilometer umgerechnet keine 5 DM kostete, aber üppiges Essen und freie Getränke beinhaltete. Logisch, das konnte sich nicht rechnen. Da waren plötzlich Welten an ein und demselben Tisch, die sich allerdings alles andere als im Gleichgewicht zueinander befanden.
 
Das Wichtigste aber waren doch die fantastischen Möglichkeiten, die sich nun für die Menschheit und die Welt ergeben würden; nicht nur wir Jungen waren überzeugt, dass dies eine einmalige Zäsur in der Geschichte werden würde. Ich erinnere mich noch an den beinahe schadenfrohen Gedanken, dass ausgerechnet Hitlers Katastrophe, aus welcher der Kalte Krieg irgendwo hervorgegangen war, durch die Art und Weise des Endes dieser Periode nun zu einer historischen Zeit des Friedens in freiheitlicher Demokratie führen würde. Was für eine Ironie!
 
FRIEDEN UND AUSGLEICH SIND MACHBAR OHNE GEWALTERUPTION
 
Diese Botschaft so oder anders formuliert stand in riesigen Lettern über dem unerwarteten Ende der wahrscheinlich gefährlichsten Auseinandersetzung der bisherigen Geschichte, denn über Jahrzehnte hinweg hätte es nur eines dummen Funkens bedurft, um die Welt in einer von Menschen entzündeten nuklearen Katstrophe untergehen zu lassen, gegen die das gewaltsame Ende der Dinosaurier wie ein Kindergeburtstag erschienen wäre.
 
Nun aber hatte die Menschheit sich auch das Wichtigste wieder selbst beigebracht: Der dumme Gegensatz in Gewalt macht keinen Sinn! Zusammen kommen wir alle miteinander viel weiter und begegnen den wirklichen Herausforderungen unseres Lebens wie etwa das ökologische Gleichgewicht, Bildung als weltweite Ressource, Abschaffung von Armut und Not und so vieles mehr. Das war seinerzeit gar nicht naiv gedacht. Die Welt damals hat sich für uns alle genau so angefühlt, und zwar von den Großen und Mächtigen bis hinunter zu uns kleinen Normalmenschen. Was für ein gewaltiger Moment der Geschichte, der erstmalig eine neue, friedlichere Periode für den ganzen Planeten errichten würde. Es war aufregend, ein Zeitgenosse dieser kurzen Monate bis 1 - 2 Jahre zu sein. - Länger dauerte der Moment nicht an.
 
DAS MODELL MENSCH BLEIBT WIE ES IST
 
Mit dem Wissen von über 20 weiteren vergangenen Jahren klingen die Träume und Visionen von 1990 sehr naiv! Die Geschichte der Epoche Mensch lehrt schließlich, dass es auch unter den glücklichsten Umständen stets wieder zu Gewalt und kriegerischer Auseinandersetzung kommt. Es entstehen neue Lücken und in diese stoßen Menschen hinein, welche die Gier nach Macht, Reichtum oder einfach nur ihr krankes Geltungsbedürfnis antreibt. Nachhaltigkeit und ganzheitlich gefühlte Verantwortung sind uns Menschen nicht von der Natur als selbstverständlich mitgegeben. Wir müssen sie uns hart erarbeiten, was eben nicht alle tun. Das evolutionäre sich Durchsetzen dieser Dinge wird noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Dies hat das Ende des Kalten Krieges vor Augen geführt, denn besser waren die Chancen wohl tatsächlich nie.

(+) Zunächst dachte man begeistert, wer denn nun noch aus welchem Grund überhaupt Kriege führen sollte. Viele neue Staaten ordneten sich friedlich und die Vorfreude auf freiheitliche Gesellschaften war groß. - Dann aber, und die Ernüchterung kam sehr schnell, wurden verschiedene Szenarien offenbar, welche die große Systemauseinandersetzung zuvor überdeckte:
Längst nicht alle potentatische Regime dachten daran, den Moment des Wechsels zu nutzen, sondern bauten sogleich gar verstärkt Spannung auf oder rückten einfach wieder mehr in den Blickpunkt. Da wäre z.B. Nordkorea zu nennen, dessen Spaltung gegen den Süden bis heute um so tragischer erscheint, nachdem die deutsche Einheit friedlich geglückt war. Auch das System in Kuba und einige andere haben sich nicht zum Freieren und Offenerem für ihre Leute darin ändern wollen.
 
(+) Das zwar offiziell blockfreie Vielvölkergebilde Jugoslawien ist ohne den reibenden Druck der Blöcke (und ohne Tito), die es zusammen gehalten haben, umgehend implodiert. Die schon früher nicht gerade in Freundschaft verbundenen Nationen vielen voneinander ab und brachten dabei z.T. Diktatoren und Warlords an die Oberfläche, die mitten in Europa mehrere regionale Kriege anzündeten und Grausamkeiten begingen, die wir uns schon gar nicht mehr vorstellen konnten. - Die Reaktion einer wahrlich nicht geordneten internationalen Staatengemeinschaft war alles in allem mehr als kläglich und vermochte nicht, das Leid zu schmälern.

(+) Andere Diktatoren wiederum witterten ohne die Blöcke in Ost und West nun die Chance selbst zuzuschlagen. Ich nenne da einen gewissen Saddam Hussein, der sich den Ölreichtum eines benachbarten Scheichtums zu schnappen gedachte. Auch hier war die Reaktion aus  purer Gewalt irgendwo sehr befremdlich, zumal es diverse andere Mittel gegen ein System gegeben hätte, das zum Überleben so gänzlich von Importen abhängig war, wie der Irak damals. - Allerdings muss man zu Gute halten, dass Vater Bush damals das Kriegsziel wirklich auf die Befreiung Kuweits beschränkte und der Spuk nach 3 Monaten ohne die gänzliche Einnahme des Irak wieder vorbei war.

(+) Länder wie das von den Sowjets besetzte Afghanistan fielen nach deren Abzug (solche Nebenschauplätze als Einflussbereich machten zum Ende des Kalten Krieges ja wirklich keinen Sinn mehr) erst ins Durcheinander und wurden dann zur leichten Beute für religiöse Extremisten, den Taliban.

(+) Auch Somalia ist stellvertretend so ein Beispiel für ein Satellitenregime des Kalten Krieges, das anschließend zerfiel und zum Opfer eines jeden wurde, der gerade mal darüber herfiel. Hier waren es und sind es marodierende Clanchefs, die sich in der Rolle von Warlords gefallen. Das wirklich Schlimme daran ist, dass niemand bereit ist Verantwortung einzusetzen, so dass dieser Zustand unerträglich lange einfach so weiter geht. Die Menschen leiden, aber die Gegend ist wirtschaftlich bzw. politisch einfach nicht wichtig, ... abgesehen vielleicht von dem Geschäftsmodell der Piraterie, das in den letzten Jahren dort zunehmend aufgekommen ist.

(+) Neue und für mich noch immer sehr irrational erscheinende Gegensätze bauten sich auf. Anstatt sich glücklich über das Ende des Systemkampfes überall die Hände zu reichen und zusammen an dieser gemeinsamen Welt zu basteln, ging umgehend das große Verteilungsgeschachere los um die besten Geschäfte, die jetzt zu machen waren. Zum ersten Mal verstanden wir wirklich, was weltweit und was global bedeutet. Aber nicht nur dies irritierte, als nämlich der Machtkampf Kapitalismus gegen Kommunismus vorbei war, schwammen plötzlich ganz andere Dinge wieder an die Oberfläche, von denen man eigentlich hätte annehmen sollen, dass sie beendete Kapitel der Geschichte wären. Die Rede ist von plötzlich wieder aufflammendem religiösen Fanatismus, der sich in Feinbildern radikalisiert bis hin zu einer Qualität des Terrorismus, den ich mir zumindest so vorher nicht vorstellen konnte. Terror sogar, der eine neue Art von dann sogar richtigen Kriegen gebiert. Beispiele: Taliban und Al Qaida natürlich, sogenannte wiedererweckte Christen (z.B. Bush Jr.), Teile der Konflikte auf dem Balkan mit Massakern, die Auseinandersetzung um Tschetschenien mit Kriegen und Terror, sich zunehmend isolierende und radikalisierende Regime wie z.B. Iran bei konkret auch zunehmender Kriegsgefahr. Die Liste ist lang und leider auch recht global.
 
Ich finde, dass wirklich nicht so sehr viel geworden ist aus den gewaltigen Chancen, die sich um 1990 herum eröffnet haben. Statt Regeln zu schaffen für das gemeinsam neue Miteinander ist die Welt rund um den Planeten zur Spielwiese für Gierhälse einerseits und sich am anderen Ende wiederum radikalisierende Extremisten andererseits geworden, .. wobei letzteres Phänomen seinen Höhepunkt evtl. bereits überschritten hat.
 
Als Beispiel, das sehr nachdenklich machen sollte, führe ich die nunmehr vollkommen zahnlose Ohnmachtsrolle der Uno an, welche sich aus der fehlenden Strukturanpassung an die Verhältnisse der neuen Zeit erklärt. - War man zu Zeiten des Kalten Krieges noch dankbar darüber, in gefährlichen Krisen mit Uno-Kompromissen beiderseits das Gesicht wahren zu können, so scheren sich die Mächtigen der Welt heute keinen Deut mehr darum, weil für ihre Interessen nicht nur nicht mehr nötig, sondern offenbar sogar lästig. Waren UN-Entscheidungen, wie etwa die UNESCO-Mitgliedschaft der BRD in den 50ern, früher wegweisend, so stellen heute z.B. die USA ihre ohnehin notorisch säumigen Zahlungen ein, wenn ihnen eine ebensolche und zudem nach allen Regeln demokratische Entscheidung für Palästina nicht passt. Konnten Blauhelme früher Waffenstillstände durchsetzen bzw. wirksam überwachen, so ist das heute so wirkungslos als gäbe es keine Mandate. Mehr noch, die Blauhelme werden nicht einmal mehr gerufen. Nato, USA, Russland und irgendwelche individuellen Siegerallianzen machen das alleine und gehen dabei ihren Interessen nach. Regionen ohne internationales Interesse, aber mit möglicherweise doch reichlich Elend werden gleich gar nicht bekümmert. Die Uno bekommt weder genügend Blauhelme zusammen noch ein richtiges Mandat. Desinteresse allenthalben. - Von den UN-Beobachtern auf dem Balkan bis zur Syrien-Mission von Kofi Anan 2012 ist das seit 20 Jahren so. Und es macht mir Angst, denn in der wunderbaren Globalisierung der Kräfte und Mächte fehlt denn doch zunehmend die ethisch-korrektive und von den Völkern gemeinsam respektierte Autorität.
 
Ich hoffe, das fällt bald mal ein paar maßgeblichen Leuten auf, ... und zwar ohne dass es dabei erst zu einer für alle richtig bedrohlichen Krise gekommen ist. --> Wunschdenken, ich weiß ...
 
EINE FRIEDLICHERE WELT IST MÖGLICH
 
Krieg und Gewalt haben sich verändert. Merkmale und Formen sind nicht mehr dieselben wie es über den allergrößten Zeitraum der gesellschaftsbasierten Menschheitsgeschichte seit grob ca. 3 - 4000 Jahre je nach Region der Fall gewesen ist. Den eigentlich klassisch erklärten Krieg von Ländern gegeneinander gibt es fast nicht mehr, wenn man einmal von Irak und Afghanistan absieht, deren Fälle sich allerdings so gewiss nicht mehr wiederholen werden. Die einzig wirklich noch existierenden klassisch-herkömmlichen Kriegsgefahren sind die alten Konflikte zwischen Nord- u. Südkorea bzw. zwischen Indien u. Pakistan, wobei der konkret ausbrechende Krieg ebenfalls nach den klassischen Mustern aus Drohgebärden und vermeintlicher Stärke unterbunden wird. Dazu kommen die atomaren Großmachtallüren des Iran im Gegenspiel mit dem notorischen Reflex Israels sowie der Nahostkonflikt im Allgemeinen. - Nicht mehr so viel Kriegspotential rund um die Welt im Vergleich zu Geschichte.
 
Soweit.
 
Dennoch haben Gewalt und Gewalttote eher zu- als abgenommen. Dennoch blüht das Geschäft mit Waffen und Rüstungsgütern wie nie zuvor. Dennoch geschehen Bomben- und Selbstmordattentate allenthalben und in völlig unausrechenbarer Art und Weise. 
 
Dennoch stehen Armeen und Heere nach alter Art in praktisch jedem Land unserer Erde, mit denen im Grunde keiner mehr wirklich etwas anfangen kann. - Oder glaubt ihr, dass mit irgendeinem Ziel dahinter noch Kavallerie (Flieger), Infanterie (Panzer) und/oder Galeeren (Marine) aufeinander losgehen? Zwischen D, F, ENG, SP, GR, PL, RUS, USA, CHN, JPN und und und vielleicht? In Zeiten von Internet, Facebook, Twitter und IPhone?
 
Höchste Zeit die Welt umzubauen
 
Die Gewalt hat sich verändert, aber der Mensch als solcher bleibt sich in der Gewalttätigkeit offenbar treu. Hat man früher unterschieden zwischen "Töten im Krieg" und "unerlaubtem Mord" (<-- als überzeugter Pazifist weiß ich gar nicht, wie ich das benennen soll), so wird heute weltweit nicht einmal mehr nach der Rechtmäßigkeit von Opfern gefragt. Das schon verrohte Denken ist um eine weitere Stufe stumpfer geworden. 
 
Die Regeln der nachnapoleonischen Zeit (Wiener Kongress), des Völkerbundes und des Kalten Krieges wirken nicht mehr bzw. führen auch nicht in neue systemische Gegebenheiten hinein, da sich die Bedingungen für ausübende Gewalten in kürzester Zeit so grundlegend verändert haben, dass bisher funktionierende Übergangsmuster der Geschichtsentwicklung nicht mehr greifen können. - Es mag eine sehr früh angesetzte Behauptung sein, aber möglicherweise leben wir nicht nur im Anfang eines neuen Jahrtausends, sondern nach Mittelalter und sogenannter "Neuzeit" nunmehr auch an der Schwelle einer neuen Epoche. Das wichtigste und natürlich irgendwie multiple Kriterium dafür ist, dass sich die Bedingungen des Lebens und Interagierens in nicht mehr kompatibler Weise zu den bisherigen Gefügen verändern, der Bruch im Gesamtsystem gewissermaßen. Wir nehmen es als Individuen in unserer Realität nicht auf diese Weise wahr, aber möglicherweise ist es genau das, was gerade mit uns geschieht.
 
Je eher wir damit beginnen, den sich verändernden Rahmenbedingungen wirklich neue Regeln zu geben, um so eher werden wir auch diesen mehr und mehr abstumpfenden Eruptionen begegnen können. Vorläufig ließe sich das beginnende Zeitalter z.B. als "Zwischenzeit" bezeichnen bis man in einigen Dekaden schließlich wissen wird, wohin die Reise eventuell geht.
 
GESELLSCHAFTSVERTRAG FRIEDEN
 
Eine politische Liste zur nachhaltigen Behandlung und Begutachtung könnte unter anderem zum Inhalt haben:
 
(1)
 
Nach der sich freilich noch sehr vorsichtig verbreitenden Einsicht, dass Kernenergie nicht mehr die Zukunft ist, sondern bereits auf dem Weg in die Geschichte, sollte baldmöglichst oder besser sogar früher die Atombombe folgen. Den Vernichtungskrieg, für den diese Bombe steht, gibt es nicht mehr. Die heutigen und kommenden Schauplätze (ich begreife das als Herausforderung zur Bewältigung) finden wir in der Wirtschaft, den Weltfinanzen, bei der Ernährung, bei der Bildung und dem Aufprall von Kulturen gegeneinander.
 
Barack Obama erhielt 2009 für u.a. genau für diese Vision mit großen Auftritten in Kairo und Prag den Friedensnobelpreis. Geschehen ist seitdem leider nichts. Nicht nur die USA und Russland, sondern alle 9 Atommächte sollten das endlich miteinander klären. Zusammen mit der Uno als Mediator.
 
Pakistan und Indien sollten nach den vergangenen Jahrzehnten des Konflikts in der Lage sein, gegenseitig einsehen zu können, dass diese Bombe keine Option Ihrer Auseinandersetzung darstellt. Nordkorea bräuchte gewisse Sicherheitszusagen für seine Systemexistenz (den Rest übernimmt sowieso der Zahn der betonsozialistischen Zeit); China könnte da hilfreich und für alle Welt sichtbar positiv wirken. Dieses wiederum braucht die Bombe ebenfalls nicht mehr, denn es ist bereits auf diversen anderen Gebieten zu den Big Playern aufgestiegen und kann in den kommenden Jahren seine Augenhöhe z.B. in der Raumfahrt unter Beweis stellen. Israel wiederum ist neben N-Korea der andere Sonderfall und kann eigentlich nur durch die USA zum Bombenverzicht "genötigt" werden (ist sowieso nicht ganz klar, ob diese evtl. nicht doch auch die Kontrolle über die Bombe dort ausüben); es führt hier zu weit, sich mit diesen besonderen Verhältnissen auseinanderzusetzen, die USA jedenfalls könnten das jederzeit ins Werk setzen, so sie nur wollten. Die ehemaligen Alliierten des 2. Weltkriegs schließlich bräuchten nur noch die Einsicht zeigen, dass die Zeit dieser Bombe "einvernehmlich" vorbei ist.
 
Vorübergehend ließe sich das "theoretische Monopol" über die Kontrolle der Bombe den Vereinten Nationen übergeben. Als überzeugter Pazifist stößt mir zwar auch dieser Gedanke auf, aber es sind unbedingt die zunächst machbaren Realitäten unserer Welt zu akzeptieren.
 
(2)
 
Gelänge es der globalen Gesellschaft für unser Jahrhundert und unsere Zukunft die A-Bomben zu bannen, so müsste in der Folge unbedingt die Chance bzw. der Augenblick zur Überwindung von Biologischer und Chemischer Waffen ergriffen werden. Das ist ungleich schwieriger, denn in den Besitz solcher Waffen zu gelangen ist vergleichsweise einfach bei ähnlich perfiden Folgen, wie es Atom- und Wasserstoffbomben mit sich bringen.
 
Bezüglich biologischer Kampfstoffe sind eindeutig die Industriestaaten und alle Labore / Institute gefordert, in denen so etwas entstehen kann. Und sei es im zunächst guten Glauben der Forschung. Gefahren, Ethik, Ziele, Verwendung müssen einer globalen Kontrolle, Transparenz bzw. einem Verfahren unterworfen werden, das entsprechende Gefahren für die Menschheit - also für uns alle - minimiert oder sogar ausschließt.
 
In Sachen C-Waffen (Chemische Stoffe) ist der Prozess noch schwieriger, denn beinahe jede kriminelle Energie kann das realisieren und von daher haben die Diktatoren und Potentaten der Welt solche Dinge als 'vermeintliche Lebensversicherung' im Keller. Und nicht nur diese; es fängt bei der Brunnenvergiftung durch den Waterlord in Afrika schon an und reicht über Drogenkartelle, Geheimdienstmethoden bis hin zu bewusst staatlich aufgebauten Kampfstoffen. - Der Besitz und die Verwendung muss zunächst dokumentiert und dann weltweit geächtet werden. Eine gewaltige Aufgabe, die nur einer in der Autorität anerkannten Weltorganisation zufallen kann, welche anderenorts zu beschreiben ist.
 
(3)
 
FRAGE! - Brauchen Sie oder Du persönlich heute noch die Bundeswehr, um unsere Republik oder unseren freiheitlichen Lebensstil zu verteidigen? Gegen wen und welchem erdachten Kontext könnte so etwas wohl stattfinden? - Keine spontan schlüssige Antwort? Hier ist eine im Jahr 2013: Der klassische, bisherige Krieg über die Kernstaaten Europas existiert nicht mehr, weil das gemeinsame Schicksal im Rahmen der neuesten Zeit des Technologiesprungs längst unteilbar miteinander verknüpft wurde. Siehe nur den EURO und seine Schwierigkeiten zwischen Nord und Süd. Der Krieg mit Soldaten und Armeen gegeneinander ist vielleicht und hoffentlich endgültig überholt im 21. Jahrhundert. Unter anderem das ist für mich der wichtigste Erfolg der europäischen Währung trotz der sehr bescheiden Teuerung des Lebens mit natürlich wieder Profitören, denen das nicht zustand.
 
Dennoch stehen für sich Armeen und Heere in jedem Europäischen Euroland und fressen nicht zuletzt ein fettes Stück des BSP auf ohne entsprechend etwas in die Gesellschaft zurück zu geben. Ein irrationaler Wahnsinn, wenn man das nur mal zusammenzählt. Ist ja nicht so, dass es ansonsten keine Sicherheit gäbe. Bundespolizei, BKA, LKA, kommunale Polizei, alles abgedeckt. In anderen Ländern ebenfalls. Die ganzen Armeen sind nicht mehr zu begreifen und machten allenfalls noch einen Sinn, wenn die EU als europäische Region der Weltorganisation UNO einen Sicherheitstrupp auf der Basis von aktueller Technik sowie Training zur Verfügung stellt. Eingestellt jeweils auf die Herausforderungen unseres Jahrhunderts. - Gefällt dem schreibenden Pazifist ebenfalls nicht, aber möglicherweise noch sinnvoll, bis herkömmlich menschliche Krisen endgültig einmal überwunden sein werden.
 
Europa hat die historische Möglichkeit jetzt voran zu gehen, ... und sollte das jenseits der EURO-Krise möglichst bald auch tun.
 
(4)
 
Andere Armeen sind in ihrer bisherigen Existenz als stehende Heere ebenfalls überflüssig geworden bzw. könnten längst anderen Sicherheitskonzepten Platz machen. Die äußere Sicherheit von exemplarisch genannten Ländern wie die USA, Russland oder China wird schon lange nicht mehr durch jeweiligen Heere garantiert. Das leisten Zoll, Küstenwache, Bundespolizeien u.s.w. längstens mit den dafür gebotenen Mitteln und Ausrüstungen.
 
WARUM ALSO? - Es geht zum einen schlicht um Zielbegriffe wie Machtdemonstration, Bedeutung, sogenannte Abschreckung etc. in Verbindung mit Druck und Einfluss im Sinne eigener Ziele. Und zum anderen hat es wohl auch damit zu tun, dass die Entwicklung der beiden Jahrzehnte um die Jahrtausendwende viel schneller und gravierender die interagierenden Regeln verändert hat als es die althergebrachte Vorstellung im Menschen tut, dass zu Erhalt und Staatswesen das klassische Militär gehöre.
 
Nicht von einem auf den anderen Moment, aber notwendig doch Schritt für Schritt das Bewusstsein darüber zu gewinnen, wie sich die interstaatlichen Grundverhältnisse und Systeme effektiv gewandelt haben, könnte oder wird helfen Militärarsenale mehr und mehr abzubauen.
 
(5)
 
Die Weltorganisation. - Angefangen hat es mit dem "Völkerbund" nach dem ersten Weltkrieg. Die für damals sensationelle politische Bestrebung besagte, dass ein solches kriegerisches Desaster nicht mehr passieren dürfe; z.B. das Saarland kam für knapp 1,5 Jahrzehnte unter dessen Hoheit zwischen Frankreich und Deutschland. Die diplomatischen Regelungen und Nachkriegsvereinbarungen, sowie die staatlichen Konstruktionen insbesondere in Deutschland waren allerdings außerstande eine erneute, diesmal totalitär-diktatorisch organisierte Eskalation zu vermeiden. Zu neu und zu jung waren insgesamt die Bestrebungen das Staatswesen in Europa demokratisch und parlamentarisch zu organisieren. Zu naiv auch die damit verbundenen Ideale und das Wissen. Es kam schon 20 Jahre später erneut zu einem kriegerischen Desaster von noch einmal bis dahin unbekanntem Ausmaß. Ein Krieg, der nun wirklich erstmalig um die ganze Welt ging und technologisch in Rekordtempo Schreckensszenarien deutlich machte, wie das nie zuvor in der Geschichte verzeichnet wurde. Bis hin zur Atombombe und zur 'fabrikmäßigen Vernichtung' von Menschen, wie es Helmut Schmidt gerade erst in einer Fernsehsendung so treffend formulierte.
 
Die zweite Organisation, die UNO, nach dem Furchtbarsten aller Kriege war erfolgreicher, weil von allen Seiten Lehren aus den Ereignissen gezogen worden waren. Sie hat uns mehr oder weniger glücklich mit diversen Einsätzen und Aufgaben durch den Kalten Krieg über 4 Jahrzehnte hinweg begleitet. Neben Vollversammlung und einigen Unterorganisationen hat der Sicherheitsrat (Siegermächte des 2. Weltkrieges + später China) das ein und andere Mal diplomatisch dafür gesorgt, dass es nicht zur letzten Eskalation kam. - Gut so!
 
Vor zwanzig Jahren aber hat sich 1990 die Weltlage erneut verändert, als dem Kalten Krieg beinahe lautlos einer der beiden Kontrahenten abhandenkam. In der Folge veränderten sich die Szenarien. Bürgerkriege brechen seitdem immer wieder aus, Feind- und Krisenbilder verlagern mehr und mehr in Richtung Arm und Reich bzw. auch in Richtung kultureller, ethnischer und wirtschaftlicher  Trennlinien, welche mehr und mehr die Konflikte bestimmen.
 
Und die Uno, sollte die nicht nach dem Ende der Systemgegensätze die Marsch- und Entwicklungsperspektiven formulieren, aushandeln und anführen?
 
Eigentlich schon. Klar, das hätte man vor zwanzig Jahren so erwartet, denn es wäre sinnvoll gewesen, aber weit gefehlt! Die Hauptbeteiligten, also diejenigen, die wir erst G7, dann G8 genannt haben und seit der Finanzkrise G20 heißen, benehmen sich so, als wäre eine Weltorganisation gar nicht da. Nato,  USA, Großbritannien, Russland, China und andere machen ihre Ego-Politik ohne Rücksicht auf das große Ganze oder Folgen für Dritte. Vor allem übergehen sie die zuständige Uno bzw. nutzen sie nur noch als Instrument der Blockade und Handlungsunfähigkeit. Beschlüsse und Resolutionen der Uno haben keine Wirksamkeit mehr und sind allzu häufig bis zur Unkenntlichkeit verwässert. - Traurig.
 
In der Praxis sind der UNO heute kaum mehr Einflüsse geblieben, als diejenigen, die einige Unterorganisationen wie UNESCO, WHO oder WTO ausüben. Aber auch dort ist der Bedeutungsverlust spürbar.
 
Es ergeht im Angesicht der Realität und dieser zum Trotz die Behauptung: Eine starke, mit interstaatlicher Autorität ausgestattete und handlungsfähige Weltgemeinschaft ist so notwendig wie eh und je!

(+) Das Völkerrecht muss ausnahmslos bindend sein.

(+) Der Sicherheitsrat muss nach den realen Weltverhältnissen neu definiert werden. Im ständigen Gremium größer und statt des leidigen Blockade-Vetos mit 2/3 oder 3/4 Mehrheit all seiner Mitglieder.

(+) Nur die UNO darf ein interstaatliches Gewaltmonopol durch Sicherheits-Beschluss ausüben.

(+) Die UNO muss in die Lage versetzt werden, gegen Verstöße wirkungsvolle Sanktionen verhängen zu können, ... je nach Schwere.

(+) Die UNO sollte sich ein neues - sprich wirksames - Grundsatz- und Entwicklungsprogramm geben mit den Aufgabenschwerpunkten: Konfliktbewältigung (Naher Osten, Korea, Diktaturen in Afrika, Iran, Irak Afghanistan etc.), Nebeneinander der Kulturen, Klima- und Umweltschutz, Ernährung, Bildung, Weltwirtschaft und einige kleinere oder regionale Aspekte.

(+) Sämtliche Themen, Regeln, Beschlüsse etc., die über das innere Interesse eines oder mehrerer Staaten hinausgehen, müssen für die UNO verbindlich durchsetzbar sein.
 
Wir brauchen unbedingt eine weltweit handlungsfähige, globale Instanz. Sowohl um die unfassbar aufgelaufenen Probleme geordnet zu bekommen, als auch um zum Ende der sogenannten "Neuzeit" hin den notwendigen Schritt in Richtung einer nächsten Epoche der Menschheitsgeschichte zu tun.
 
(6)
 
Last, not least; wo ist der Anfang zu machen?
 
Eindeutig im Nahen Osten! - Dort irgendwo haben die Zivilisationskriege einst begonnen und liegt auch heute der Schlüssel, um sie zu beenden.
 
Nirgendwo sonst tritt der historische Wahnsinn im Konflikt derart zutage wie dort zwischen Nil, Euphrat und Kleinasien. Und zwar schon immer; die Bezüge sind mitunter Jahrtausende alt, obwohl das Handeln der aktuellen Protagonisten durchaus schwer zu verstehen ist und große Zusammenhänge kaum wahrnehmbar erscheinen. Doch sie hängen sehr tief verwebt zusammen und lassen sich - kaum fassbar - tatsächlich dann auch einfach erklären, wenn man nur bereit ist, sich mit der Kulturgeschichte der Region näher zu befassen:

(+) Entlang eines kleinen, nur wenige hundert Quadratkilometer großen Streifen am östlichen Rand des  Mittelmeeres treffen sich die Herkunft der monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam. Zwei davon nennen wir heute Weltreligion, die dritte ist die älteste bis heute überdauernde Religion. Alle drei sind in ihrer Geschichte auf das Engste miteinander verbunden.

(+) Einst drängten die jüdischen Stämme (Könige Salomon/David) das Volk der Philister ("Palästina") zurück und erbauten in Jerusalem ihren Tempel. 

(+) In römischer Zeit wiederum wurden die Juden unterworfen, der Tempel Salomons zerstört und regelmäßig Aufstände niedergeschlagen. Herodes d. Große ließ einen neuen Tempel erbauen, arrangierte sich mit Rom, aber das Volk blieb in den folgenden Jahrzehnten extrem unzufrieden. Diverse Gruppen (wir würden das Wort "Sekten" verwenden) bildeten sich zu der Zeit von Tiberius und seinen Nachfolgern, von denen eine sich über Griechenland schnell bis nach Rom hinein verbreitete (aber auch nach Ägypten und im Osten sogar bis Indien); die Anhänger des Jesus, genannt Christus: das Christentum.

(+) Der jüdische Aufstand zwischen 67 - 70 n.Chr. führte in seinem Ende zur erneuten Tempelzerstörung (Klagemauer als Rest) und - nach römischer Lesart - zur Zerschlagung des Judentums als solches. Tatsächlich aber wurden dabei die Stämme in einer Art Flucht in alle Winde zerstreut bzw. ließen sich nieder, wo ein Leben und Existenz möglich war. Die herausragende geschichtliche Leistung des Judentums ist es, über fast 19 Jahrhunderte hinweg sozusagen "weltweit" weder die Identität, noch den kulturellen Kontakt zueinander verloren zu haben. Im Gegenteil, noch heute finden wir hier die weltweit stärksten und intensivsten Netzwerke. Auch immer wiederkehrende Progrome vom Mittelalter bis in die neueste Neuzeit (Holocaust) hinein hat das Judentum unter Beibehaltung seiner Identität überstanden. Das ist in der kulturellen Menschheitsgeschichte einzigartig!

(+) Mohammed fuhr vom Tempelberg (ab 691 entstand der Felsendom) gen Himmel auf, empfing die heiligen Suren des Koran und kehrte zurück. Das in der Region auch immer schon lebende nicht jüdische Volk wandte sich der Ausbreitung des Islam zu. - Zeitweise kamen die europäischen Kreuzritter (Königreich Jerusalem / 1099 - 1291) im "heiligen" Gemetzel über sie. Immer wieder wechselnde Herrschaften und Reiche verhinderten ein gefestigtes und endgültig identifizierbares Staatsgebilde mit eigener bleibender Tradition.

(+) Als Theodor Herzl Ende des 19. Jahrhunderts (1897) den zionistischen Weltkongress mit dem Ziel organisiert dem jüdischen Volk wieder eine Heimstatt in Palästina zu schaffen, gehörte die Region noch zum osmanischen Reich. - In den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts nahm der jüdische Landkauf (dieser brachte auch Wohlstandserscheinungen in die bitterarme Gegend) gewaltige Formen an. Bei Übernahme des britischen Mandats (Völkerbund 1922) wurde bereits vom zionistischen Weltkongress über die Gründung eines jüdischen Staates verhandelt. Die Briten behinderten die jüdische Einwanderung anschließend nicht. Die heutigen Staaten Libanon und Syrien wurden von Frankreich verwaltet, das sich in diesem Punkt anders verhielt, was den noch heute bestehenden besonderen Einfluss Frankreichs in die arabische Region erklärt.

(+) In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden Unruhen in der Region, da die Briten der zionistischen Bewegung weitrechende Kompetenzen gewährt hatte. Es entstanden erstmals bewaffnete Milizen, zu denen auf jüdischer Seite z.B. die "Hagana" und die "Irgun" gehörte.

(+) Mit dem Ende des 2. Weltkrieges änderte sich die britische Position aufgrund vieler einerseits globaler Empire-Gründe als auch wegen der jetzt überaus aggressiven Haltung der jüdischen Bewegung (gerade erduldeter Holocaust) gegenüber dem Mandatsträger. Es kommt zu gegenseitig vielfältig aggressiven Handlungen. Mag man das politische Verhalten der Briten (die das Problem an die Amerikaner loswerden wollten) bestenfalls vor dem Hintergrund der Lasten des Krieges als sehr ungeschickt ansehen, so handelt es sich bei diversen jüdischen Aktionen gegen die sie früher stützende Mandatsmacht irgendwo um das, was wir erkennend schlicht als Terrorismus wahrnehmen.

(+) Die UNO-Resolution (181/1947) als Nachfolger des Völkerbundes schließlich begründet bis heute völkerrechtlich bindend das so wichtige Existenzrecht des Staates Israel in den Grenzen, welche die Karten in der Tagesschau abbilden. Das war die logische Lösung des Konflikts, der zunehmend dann auf beiden Seiten von Gerilla, Miliz und Terror geprägt wurde. Dieses UNO-Dokument , auf das Israel sein Bestehen beruft, gibt den Palästinensern per Völkerrecht ebenso ihren Staat und stellt das damals schon geteilte Jerusalem unter Uno-Verwaltung.

(+) Zu diesen weiteren Maßnahmen (Palästina/Jerusalem) kam es aber nicht, denn der gerade verkündete Judenstaat wurde bereits angegriffen, bevor er sich als solchem überhaupt richtig einrichten konnte. Etliche kriegerische Auseinandersetzungen folgten (48 / 67 / 73 / 82), ... stets setzte sich Israel nicht zuletzt mittels massiver US-Unterstützung (Motive: kalter Krieg & Lobby in den USA) durch. Ein Palästinenserstaat und der Status von Jerusalem wurden niemals umgesetzt.

(+) Nach der Gründung Israels waren dann viele Palästinenser heimatlos und kamen in Lagern der Nachbarstarten unter. Das führte immer wieder in der Politik dieser Länder zu Ungleichgewichten. Ab Mitte der 60er Jahre wurde die "Fatah-Bewegung" (damals durchaus dem Kampf und Terror zugetan) des jungen Jassir Arafat zunehmend zum politisch führenden Organ der Palästinenser . Arafat hat durch seine starke Bewegung zwar viel für die Palästinenser getan, im Lauf der Jahrzehnte aber auch viel Schaden und Leid angerichtet. In Jordanien, im Libanon (Bürgerkrieg ab 1976). Der palästinensische Aufstand (Intifada) ab 1987 führte letztlich dazu, dass es 1993 zu der Gründung der palästinensischen Autonomiebehörde in den "besetzten Gebieten" (Westbank / Gaza) kam. - Trotz vieler Ansätze ist der Prozess weiter bis heute nicht mehr gekommen. Im Gegenteil, Scharmützel und immer neue Völkerrechtsverletzungen (z.B. illegaler Siedlungsbau) nehmen wieder zu. Gestorben und gelitten wird noch immer. V.a. auf palästinensischer Seite hat es sich in den vergangenen 20 Jahren für die Menschen nicht wirklich gebessert. Schuld daran ist nicht nur Israel, sondern ebenso die Auge um Auge Haltung der Führer Palästinas, die von in Lagern und mit Hass erzogenen Generationen ihres Volkes zu profitieren glauben. Israel indess bemüht sich nicht einen Deut darum klüger zu handeln. Zahn um Zahn wird jede (meist unschädliche alte) Rakete aus Gaza mit Gewalt beantwortet. Irritierend werden UNO und die Staaten der Welt vorgeführt, in dem illegal Siedlungstatsachen geschaffen werden, die dann wohl irgendwann dazu führen sollen, dass kein Fleckchen Erde mehr für einen palästinensischen Staat vorhanden wäre. 

(+) LOGISCH: Dieser Status Quo erzeugt keinen Frieden. - Sehr klug dagegen war die UN-Lösung von 1947! Zwei praktikable Staaten und sogar das Jerusalem-Problem findet sich machbar behandelt. Ohne den arabischen Überfall 48 gegen Israel wäre es wohl so gekommen. Genau dahin sollte man heute zurück gehen. Ohne wenn und Aber! Keine Roadmap, keine israelische Gewaltenausübung in Palästina, gewisse Garantien für jüdische Siedler in Palästina etc. pp. - Eine gemeinsame Union in Außenpolitik, Wirtschaft, Sicherheit etc. würde Sinn machen.
 
ES WÄRE WIRKLICH GANZ LEICHT IN DER LÖSUNG. DIE DYNAMIK DES KONFLIKTES SITZT ABER LEIDER HISTORISCH EXTREM TIEF. DENNOCH GLAUBE ICH, DASS EINE LÖSUNG MÖGLICH WÄRE, WENN UNO, USA, EUROPA UND ANDERE RICHTIG IN EINER LINIE DRUCK  MACHEN WÜRDEN, ODER PERSÖNLICHKEITEN ERSCHEINEN WÜRDEN, DIE WILLENS SIND DAS ABENTEUER EINES NEUEN ABSCHNITTS DER GESCHICHTE EINZUGEHEN !!!
 

Dies hier ist natürlich nur ein sehr kurzer Abriss der Gemengelage, aber für die richtige Idee braucht es oft nur den an einer Stelle notwendigen Ansatz zum Erfolg im Ganzen.

 
Frieden ist mehr als nur eine Alternative zu anderen Lösungen oder der "Zustand zwischen dem Krieg", wie das Ende des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts so pseudophilosophisch auf zynische Weise behauptet wurde. Frieden ist der sehr aufwendige Weg der Kooperation und des Miteinanders, um den Erfolg auch dem Anderen zuzugestehen. Frieden bedeutet die Macht, das Risiko in Vertrauen zu finden und damit auch den echten Zauber, das im Krieg Unerreichbare nicht nur zu wagen, sondern auch zu gewinnen. Frieden bedeutet immer viel Mut, wenn Krieg herrscht und dessen Dynamik so einfach von statten geht.
 
Simpel zusammen gefasst: Für die absolute Zukunft unserer Existenz als Mensch ist es angesichts unserer komplexen technologischen und kulturellen Entwicklung völlig alternativlos, alsbald und endgültig zu Frieden inklusive globaler Kooperation, fairem Handel & Austausch, gemeinsamer Bildung, Wissen, Ernährung, kultureller Toleranzpflege etc. pp. und damit endlich zu wirklich wahrgenommenen Verantwortung gegenüber der Umwelt des ganz unstrittig gemeinsam bevölkerten Planeten Erde zu kommen.
 
So einfach und so essentiell ist das!

 
 
 
 

Mittwoch, 17. Oktober 2012

KOMMENTAR NACH FRIEDENSPREIS AN DIE EU

HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH EU (!), ABER:

ES IST AUCH AN DER ZEIT FÜR GROSSBRITANNIEN DIE UNION ZU VERLASSEN!
 
 

Zuweilen wundert man sich schon über die Preisvergabe des Nobelkomitees; ein Schriftsteller mit recht bedenklicher Nähe zu einem Regime erhält den Preis, das ansonsten notorisch ihm unbequeme Preisträger totschweigt, angreift oder gar einsperrt; ein Staatenbund wird als Organisation für Frieden ausgezeichnet, dessen besondere Leistung in dieser Hinsicht sich zumindest nicht auf den ersten Moment erschließt.

Die Nobelpreise für Literatur und Frieden sind - anders als diejenigen für wissenschaftliche Leistungen - immer eine subjektive Auslegungsgeschichte bis hin zu eben Geschmacksache. Der eine vollzieht es nach, der andere findet es unmöglich. Als z.B. Barack Obama den Friedenspreis in 2009 bekam, war damit die Hoffnung auf zukünftiges Wirken des damaligen Visionärs verbunden. Heute wissen wir: das Amt eines amerikanischen Präsidenten gibt so etwas nicht her. So gab und gibt es viele Ehrungen, die häufig dann enttäuschten, wenn sie in aktuelle Situationen hinein vergeben wurden. Beispiele sind z.B. der Nahost-Friedensprozess (Arafat/Rabin/Peres), Überwindung der Apartheid (Mandela/de Klerk) etc. und heuer eben die EU gewissermaßen als Preisabenteuer.

Da die EU sich in jüngerer Zeit nicht als erfolgreicher Friedensstifter aktueller Konflikte der Welt ausgezeichnet hat, verstehe ich den eben Preis so, dass er sich auf die Friedensleistung der europäischen Situation selbst bezieht. Jetzt, fast 70 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges, ist eine kriegerische Auseinandersetzung im Ausdehnungsgebiet der EU nahezu undenkbar geworden. Das gilt ebenso auch für politische oder wirtschaftliche Nachbarn sowie sogar Kontrahenten. Der Preis will würdigen, dass ein kriegerischer Konflikt weder innerhalb der EU mehr stattfinden kann, noch z.B. mit Russland oder einem anderen Nachbarn durch die EU motiviert stattfinden wird. - Persönlich gebe ich gerne auch dem Gedanken und der Hoffnung Ausdruck, dass hier gar in einer der blutigsten Regionen der Menschheitsgeschichte der Krieg erstmalig endgültig und hoffentlich für immer abgeschafft werden konnte. So wahrgenommen, ist dies dann durchaus schon einen Friedensnobelpreis wert.

EINVERSTANDEN?!

In Großbritannien offensichtlich nicht! Dort finden sich quer durch die Medien, durch die Politik und durch die Gesellschaft Stimmen, welche den diesjährigen Friedenspreis an die EU mit Häme, Spott, Negativkommentaren sowie Verunglimpfungen überziehen. Eine kurze Zusammenfassung findet sich in diesem Artikel auf Spiegel-Online:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/euro-skeptiker-wettern-gegen-friedensnobelpreis-an-eu-a-861032.html

ICH WUNDERE MICH NICHT ÜBER DIE BRITEN

Was soll's könnte man gelassen sagen. Die Briten sind ja nie dabei, wenn es darum geht die europäische Integration voran zu bringen oder etwas zu würdigen, was Europa geschafft hat. - Trotzdem! Ich mag mir das einfach nicht immerzu bieten lassen: Der britische Sonderbeitritt zur EG 1973 (Formel: Vorteile Ja, Pflichten Nein) war schon ein sehr spezielles und teures Ding, das destruktive Verhalten im Rahmen der dt. bzw. auch europäischen Einigung kaum mehr erträglich über die letzten beiden Jahrzehnte und bis hin zu den Verhaltensweisen bei Euro- (ohne eigene Teilnahme)/Bankenkrise und EU-Verfassung im Grunde längst nicht mehr hinnehmbar. Großbritannien ist nicht und war nie an einer europäischen Integration bzw. an einer echten EU interessiert und wird es auch absehbar nicht sein. Dieser nur geographisch in Europa verortete Staat versteht sich aus eigenen historischen Gründen nach wie vor in einer anderen Rolle, ... nämlich dem eigenständigen souveränen "Global-Player" im Sinne des Mitte letzten Jahrhunderts vergangenen Empires, dessen Verlust im Denken dieser Nation trotz des nachfolgenden Commonwealth bis heute nicht aufgearbeitet wurde. Viele Verhaltensmerkmale und Traditionsrituale belegen es.

Anders ausgedrückt: Großbritannien ist nur Mitglied der EU um dort zu verhindern, dass in seiner direkten europäischen Nachbarschaft die tatsächliche Integration der Kontinentalstaaten stattfindet und so eine aus seiner Sicht neue Großmacht nicht entstehen kann, welche den (ehedem und historisch) globalen Einfluss Großbritanniens nur schmälern oder ihm gar gefährlich würde. Bemäntelt ist das alles mit dem historischen Wirken gegen Hegemonialmächte auf dem Kontinent (Habsburg/Spanische Armarda/16. Jhdt. - Napoleonische Kriege - 1. & 2. Weltkrieg).

DER VERSUCH GROSSBRITANNIEN IN DEN EUROPÄISCHEN PROZESS EINZUBINDEN BZW. ZU INTEGRIEREN IST LÄNGST GESCHEITERT.

Wie schon der Eklat in 2011 zur Fiskalunion (siehe auch http://themenwoche.blogspot.de/2011/12/zwischenruf-zum-britischen-anti-eu.html) hat die britische Reaktion auf den Friedenspreis erneut deutlich gemacht, dass diese EU-Partnerschaft eine Fehlkonstruktion ist. Die Bemühungen der kontinentaleuropäischen Staaten sind schon lange gescheitert Großbritannien in ihre Integration einzubeziehen. Es gab noch keinen EU-Austritt bisher; allerdings wäre dies in diesem Fall für beide Seiten eine gute Chance zu Fortschritt und tatsächlich weiterer Integration. Außerhalb der EU erwiese sich Großbritannien möglicherweise als besserer und konstruktiverer Nachbar als innerhalb. Das Wahrnehmen der eigenen Interessen würde für alle besser passen und das unangenehme bis destruktive Zerstören von Prozessen könnte aufhören.

Zusätzliche Bedingung: Auf der Insel müsste ein bisschen Vertrauen einsetzen, dass die Zusammenarbeit von Deutschen und Franzosen (und/oder anderen) auf dem Kontinent innerhalb der EU keine existenzielle Gefahr für Großbritannien bedeuten (... sondern höchstens Partnerschaft).

DER PREIS SOLLTE CHANCE UND IMPULS SEIN


Klar, ... die Eurozone war zu weit gewählt, die Erweiterungen der EU zu schnell vorgenommen worden. - Aber gerade diese Dinge haben trotz der der z.B. kaum zu stemmenden Wirtschaftsgefälle wichtige Zeichen gesetzt.

Europa könnte diesen Preis zum Anlass nehmen, nächste Entwicklungsschritte in Angriff zu nehmen:

+ Mit der Arbeit an der Aufnahme der Staaten des ehemaligen Jugoslawien wäre die EU als Staatenbund mehr oder weniger komplett (die Türkei z.B. sollte meiner Meinung nach eher an einem ähnlichen Modell in Richtung  Middle East arbeiten).

+ Die Irrtümer und durchaus politischen Konstruktionsfehler des Euro werden gerade schmerzlich bearbeitet. - Spätestens  wenn das erledigt sein wird, sollten alle EU-Länder am Euro teilnehmen und sich diesbezüglich überwinden; es wird das entscheidende Fanal von der bisherigen EU hin zu den Vereinigten Staaten von Europa sein. Nicht wie die die USA, sondern als Bund von Nationen auf einem vergleichsweise engen Kontinent.

+ Der Friedenspreis für die EU dokumentiert:  Krieg in Europa ist abgeschafft und überwunden worden! - Nur folgerichtig könnte und sollte die EU daraus einen weiteren Schritt verfolgen. Warum besitzen sämtliche Staaten der EU eigenes Militär und Heere bzw. wenden jeweils einen übergroßen Anteil ihres BSP/Haushalts auf, um diese zu unterhalten?!

Das ist doch nichts anderes als ein Wahnsinn aus alter europäischer Vielstaaterei, der zu nichts mehr gut ist. Wenn wir eine gemeinsame Währung und einen Markt haben können, wenn wir Außengrenzen im Rahmen eines Schengen-Abkommens haben können und in Zukunft vielleicht noch viel mehr, dann brauchen wir sicher keine 27 Einzelarmeen mehr, sondern könnten stattdessen auch mit einer EU-Truppe auskommen. - - ... Bis diese Militärsache überhaupt einmal unnötig wird. Angebrachte Polizeifunktionen leisten auch das Ihre. Was meint Ihr? Wenn Europa Schule macht, ist das doch so unmöglich nicht.

Die Regionen der Welt benötigen etwas Zeit und viel Engagement. Undenkbar aber ist das nicht: Afrika, Nord- & Mittelamerika, Südamerika, Middle East, Asien in mehreren Zonen, Ozeanien. Vorlaufende Ansätze von solchen Bündnissen und Organisationen gibt es längst; der Weg der EU kann dabei zum Vorbild werden oder zumindest als Beispiel dienen.

Nach anfänglicher Verwunderung erklärt sich der diesjährige Friedenspreis schnell auf eine Weise, die wir alle sehr persönlich erleben und nachvollziehen können:

Mein Vater kehrte nach dem Krieg ein Jahr vor dem Abitur stehend mit seiner Familie aus dem bayerischen Regensburg (der Großvater arbeitete dort bei Messerschmidt) ins heimische Saarland zurück. Ein Gymnasium gab es in Saarbrücken aber nicht mehr, sondern damals nur die frz. Schule, das "Lycée Maréchal-Ney" (heute: dt.-frz.-Gymnasium). Er wagte es und schaffte den Abschluss ohne vorherige Kenntnisse der frz. Sprache! Dies und das anschließende Studium in Nancy prägten ihn und später uns als seine Familie nachhaltig im Sinne eines schon vorweggenommenen Stück Europas.

Meine französische Freundin Claude stammt aus einer Region am Mittelmeer. Ihr Vater wurde 1943 unter Gewaltandrohung gegen die Familie zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert und überstand diese Zeit dort nach den Gesetzen, die das Überleben diktiert. 20 Jahre später suchte er in Deutschland nach den Menschen, die freundlich zu ihm gewesen waren und denen er sich trotz allem verbunden fühlte. So kam die Claude nicht nur zur deutschen Sprache, sondern auch zu Überzeugungen, welche die europäische Integration und die EU lange vor der tatsächlichen Zeit vorwegnahmen.

Wir trafen erstmalig Mitte der 80er Jahre intensiv aufeinander. Als später die Grenzschranken zwischen unseren Ländern und Kulturen gefallen waren, und als wir mit dem Euro sogar dasselbe Geld in der Börse hatten, war es mit dem Gefühl fast wie bei einem historischen Wunder (trotz dem Wissen um die üblichen Geschäftemacher der Währungsumrechnung auch diesmal). Europa kommt zusammen und ist nicht mehr auseinanderdividierbar. Für Claude und mich ist dies das Größte und Entscheidende. - Selbst all die Folgen der mitunter peinlichen Konstruktionsfehler in der Krise jetzt bringen das Projekt als solches längst nicht mehr zu Fall.

Dieses vereinigte und integrierte Europa ist ein besonderer Weg und eine besondere Geschichte, welche in der Zukunft eine ganz herausragende Wertschätzung zur globalen Entwicklung einnehmen wird. Darin sind sich Claude und ich nicht nur einig, sondern vor dem Hintergrund unserer Herkunft auch sicher!

Der Nobelpreis für EUROPA ist nicht nur sehr angebracht, er gehört auch zu den im Thema wertvollsten Auszeichnungen bisher. - MACHEN WIR ALLE MITEINANDER NOCH MEHR DRAUS!

Dienstag, 10. Juli 2012

SCHAFFT ENDLICH DAS WORT ZUM SONNTAG AB (KW 28 / 2012)



... oder reformiert wenigstens das Format! - Lasst nicht nur Pfarrer und Pastoren zu Wort kommen, sondern auch Künstler, Philosophen, Rabbiner, Intellektuelle, Umweltschützer, Imame oder nur mal den Nachbarn zwei Häuser weiter, wenn er ein ordentliches Thema mitbringt.

Zwischenempörung zum "Wort zum Sonntag" vom 23. Juni 2012 von Frau Dr. Adelheid Ruck-Schröder. Ihr Thema: Die Organspenderausweise, welche in diesem Sommer an die Versicherten verschickt werden.

Um gleich zur Sache zu kommen, diese Dame versichert zum Schluss ihrer 5 Minuten den christlichen Mitbürgern kein schlechtes Gewissen haben zu müssen, wenn man den Spenderausweis nicht ausfülle!

Die Begründung zu dieser ungeheuerlichen Empfehlung verpackt sie sehr geschickt in ein Gemisch aus Bedenkenträgertum zum Begriff des Lebens, medizinischen Definitionen (Hirntod) und natürlich sogenannten christlichen Argumenten wie "Tod akzeptieren", "Unverwechselbar- und Einmaligkeit des Geschöpfes" etc. Ich sage bewusst "sogenannte Christenargumente", denn ich für mein Teil ziehe schon da in Zweifel, dass irgendwelche gesamtmenschlichen Grundpositionen oder Eigenschaften dem christlichen oder anderen Glaubensformen exklusiv angehören können. Zu viel Leid ist im Rahmen solcher Behauptungen schon über die Welt gekommen.

Im weiteren stellt Frau Ruck-Schröder indirekt die Frage danach, wann ein Mensch wirklich tot sei und macht das sehr geschickt, in dem sie ihre Aussagen so formuliert, dass sie von Medizinern, Wissenschaftlern und Befürwortern der Organspende nicht der Unwahrheit bezichtigt werden kann. Dennoch implizieren ihre Aussagen sehr deutlich, dass Gottes Geschöpf nicht "zerlegt" werden soll, um ein anderes Geschöpf weiter leben zu lassen, das - jetzt mal von mir frei weiter gesponnen - gefälligst ebenfalls seine vorgesehene Sterblichkeit zu akzeptieren hat.

Sehr geschickt macht die Pfarrerin (Im Saarland heißen die Evangelischen Pfarrer und die Katholischen Pastor / sonstwo ist das auch schon einmal umgekehrt habe ich gelernt) das mit Formulierungen, die kaum angreifbar sind. Trotzdem bleibt die Aussage das, was sie ist: Eine Konterkarrierung der Bemühungen in unserer immer ausgeprägteren Ich-AG-Gesellschaft zu einem Thema etwas zu bewegen, in dem wir sowieso zu den trägen Schlusslichtern gehören. - Dazu passt dann auch die Meldung Anfang Juli 2012, dass in Deutschland bei der Organspende ein historischer Tiefststand erreicht ist.

Damit ihre Worte wohl auch einfache Gemüter erreichen, stellt Frau Ruck-Schröder schließlich ganz deutlich noch die Frage danach wie tot ein Hirntoter denn nun sei, der ja immerhin noch warm sei und schwitze? Sie ordnet die Frage sogar der Wissenschaft zu, ... wobei es sich wohl um eine "christliche Wissenschaft" handeln muss, über deren Definition als Wissenschaft sich dann durchaus streiten ließe; z.B. meint Scientology auch, sie betrieben Wissenschaft. - Für mich sind dies Methoden im Namen einer Ideologie, verbal bewusst im Sinne eines bestimmten Interesses zu manipulieren anstatt Standpunkte auszutauschen oder - wie es bei einem Fernsehkommentar angebracht wäre - fair vorzutragen.

Ich selbst - und das gestehe ich hier nicht zu meinem charakterlichen Vorteil - habe mir aktiv auch noch keinen Organspenderausweis besorgt. Erstens aus plumper Trägheit und zweitens ein wenig, weil es mich tatsächlich kribbelt, bei der Vorstellung, dass mein Herz in einer anderen Brust schlagen könnte als der meinen. Genauso aber ist es mit dem Gepikst-Werden und dem Blut, das mir für eine Untersuchung abgenommen wird.  Ich bin wie so viele als körperlicher Industriestaat-Schisser in dieser Welt unterwegs und wäre hoffnungslos verloren, wenn ich mein Essen jagen und sammeln müsste anstatt es im Supermarkt zu kaufen.

Was ich aber ganz bestimmt nicht möchte, das ist, dass jemand im Namen z.B. meines Glaubens - den Fr. Ruck-Schröder und ich wie in diesem Fall nicht miteinander teilen - hergeht und mir aufgrund dieser Gesellschaftsumstände und -entwicklungen Angst macht, es passiere mit der Organspende eventuell etwas mit mir, obwohl ich noch lebe und fühle.

WER - bitteschön - hätte schon einmal ernsthaft etwas über ein Leben für einen hirntoten Menschen gehört?

Ich rede nicht von Menschen, die reanimiert werden können, wie z.B. kürzlich der Fußballtrainer Neuruhrer (ein Verdienst der modernen Medizin Frau Pfarrerin o. hätte der Mann sein Sterben lieber akzeptieren sollen? / u.a. übrigens Trainer beim FC Saarbrücken), sondern von Menschen und eben Fällen, wie sie immer wieder vorkommen, die leider nicht mehr gerettet werden können, aber aufgrund unserer mehr und mehr fortschrittlichen Technologie und Medizin entweder noch an den die Biologie erhaltenden Geräten hängen oder aber jenseits davon innerhalb eines Zeitfensters mit einem Organ anderem Leben noch Zukunft geben können.

Bei ersteren handelt es sich um Fälle wie Ariel Sharon (schlimme u. tragische Geschichte) und im Letzteren um gestorbene Unfallopfer, die eben nicht hirntot an einer Maschine hängen. Diese zweite Gruppe aber ist die überragende Mehrheit in Sachen Spende bzgl. in Frage kommender Situationen. Die sogenannte christliche Sichtweise der Pfarrerin unterschlägt uns dies vollkommen im Massenmedium Fernsehen am Samstagabend.

Außerdem Frau Pfarrerin: Was halten Sie denn von der Nierenspende eines Herrn Steinmeier? Oder von einer Rückenmarkspende? - Wie sieht es da mit der unverwechselbaren Einmaligkeit aus?

Ich bin empört und abgestoßen von diesem Auftritt. - Hätte ich nicht längst schon beschlossen gehabt, den von der Kasse verschickten Ausweis nun endlich ausgefüllt in der Brieftasche neben Führerschein und Ausweis zu platzieren, so hätte mich dieses üble Wort zu Sonntag spätestens überzeugt ein persönliches Zeichen dagegen zu setzen.

Was mich aber allgemein erschreckt, das ist die Befürchtung um den Schaden, den diese Frau mit ihrer so geschickt ausbalancierten "Hirtenrede" im hier zu Lande unter dem christlichen Banner - meiner Meinung nach - noch immer viel zu beeinflussbaren Volk angerichtet haben mag.

DESHALB: Schafft doch bitte endlich dieses "Wort zum Sonntag" ab, ... oder reformiert es wenigstens mit Stimmen, die unserer Gesellschaft näher an den tatsächlichen Wirklichkeiten etwas mit auf den Weg geben, anstatt nur Plattform dieses einen Hintergrundmotivs (Kirche) zu sein.

Anders ausgedrückt: Dafür möchte ich keine Rundfunkgebühren zahlen!

Aus meiner Kindheit erinnere ich, dass tatsächlich noch von der Kanzel gepredigt wurde, wie die Gemeinde "christlich" z.B. wählen solle. Ich gehe zu selten in die Kirche, um zu beurteilen, ob es das heute noch gibt, wobei ich mittlerweile mit Grund durchaus vermute, dass es ländlich im größeren Stil der Fall sein dürfte. Ich amüsierte mich bisher eher als ich das tragisch fand. Ebenso war es mit dem Wort zum Sonntag: das nahm man halt mit bevor es einen spannenden Spielfilm gab. Zumeist ging und geht es ja um Nächstenliebe, Frieden, Gewaltfreiheit und Themen, die an aus meiner gesellschaftlich positive Dinge appellieren. Harmlos!

Jetzt aber ist mir bewusst geworden, wie gefährlich dieses "Wort zum Sonntag" auch sein kann. Gerade wegen dem Nebenbei-Effekt! - Und wie deplatziert bzw. gesellschaftfremd es mittlerweile ist. Entworfen für eine bundesrepublikanische Gesellschaft noch spürbar nach dem 2. Weltkrieg ist es mit diesem ewig beibehaltenen Format im schon weit fortgeschrittenen 21. Jahrhundert und den Inhalten nicht mehr sinnvoll, sondern auf eine Weise gestrig, die sogar richtig Schaden anrichten kann.

Ich weiß natürlich nicht, ob es da eine Redaktion und eine ethisch orientierte Programmdirektion gibt, die festlegt, was aussagetechnisch geht bzw. gesellschaftlich korrekt ist und was nicht. Auch weiß ich nicht, wie die Damen und Herren Geistlichen ihren Weg auf den Sender jeweils finden, aber ich habe doch angesichts dieses Beispiels vor zwei Wochen den Eindruck, dass da redaktionell nicht wirklich kontrolliert oder nachgedacht wird.

Ein kurzer Sendeplatz zum Innehalten und Besinnen ist sinnvoll, aber wir haben da kulturell in unserer Gesellschaft ganz sicher sehr viel herausragendere Persönlichkeiten als PfarrerInnen, die uns weismachen wollen, dass man aus christlicher Sicht kein schlechtes Gewissen haben müsse, den zugeschickten Organspenderausweis nicht auszufüllen. - Beschämend für den Sender / Beschämend für die Kirche!