Montag, 20. Februar 2012

Thema 12: Kind sein ist schwer … Elternschaft vielleicht noch mehr! (KW 08 / 2012)



Als Kind und Teenager habe ich mich sehr oft durch die Eltern unverstanden und nicht gerecht behandelt gefühlt. Es kam mir vor wie eine Wand aus Beton. Als Vater fällt es mir nun selbst oft schwer, meinen Kindern den Rahmen und die Grenzen ordentlich zu vermitteln. Es fehlt nicht selten an der Geduld und vor allem an der Gelassenheit gegenüber dem ganz normalen Erziehungswahnsinn. Ist das zu fassen?

In Sachen Kindheit, Familie und Eltern will ich gar nicht weiter ausholen. Das ist persönlich und ja gar nicht Thema hier. Ansprechen möchte ich zur Ausgangssituation nur ein paar Phänomene, welche wohl mit einer Kindheit einhergehen. Na, jedenfalls so wie ich das empfunden habe und erinnere:

§  Orte und Dinge sind in Wirklichkeit viel kleiner als die Erinnerung es vorgaukelt. Das liegt wahrscheinlich tatsächlich an der viel niedrigeren Perspektive und den eigenen Größenverhältnissen, unter denen wir diese Bilder der Welt als Kind damals abspeicherten.

§  Gleiches gilt auch für Ereignisse und z.B. Konflikte, die eine bestimmte Art von Erinnerungsfärbung beinhalten, wenn sie aus der Pubertätsperiode und davor stammen. Man muss da ein bisschen vorsichtig sein, was nicht bedeutet, dass man sich im Fall der Fälle etwas wegschummeln sollte. Bestimmt nicht.

§  Die Liebe eines Kindes zu den Eltern ist völlig bedingungs- und vor allem alternativlos. Sie steht auf einem ganz eigenen Blatt. Das ist in der Natur der Dinge ein großartige Sache, kann aber aufgrund des kindlichen Abhängigkeitsverhältnisses und je nach Umständen zu einer gefährlichen Sache werden.

Dies sind für mich die großen Eckpfeiler zur Einordnung der eigenen Kindheit. Zwischen meinen Eltern und mir, also zwischen Vorkriegs- und Nachkriegskindern ist der Werte- und gesellschaftliche Prägungswandel so groß wie sich das in der Geschichte sicher nur sehr selten findet. Hinzu kommt dieser irrwitzige Technologiesprung, in den ich hineingeboren wurde, die Eltern jedoch als regelrechten Paradigmenwechsel erlebt haben müssen (hält noch an und ist noch immer in der Beschleunigungsphase). Daraus ergeben sich deutliche Unterschiede in der Wahrnehmung unserer Welt und Umwelt; vor allem ergibt sich eine gewisse Distanz über die Art und Weise wie sich das Leben anfühlt bzw. wie mit ihm umzugehen ist.

Diese Beschreibung trifft sicher nicht auf alle, aber doch viele Menschen unserer zweiten bis dritten Eltern-/ Kindgenerationen zu, welche sich in dem entsprechenden Zeitfenster wiederfinden.

Heute als Vater aber muss ich damit umgehen, dass ich von meinen Kindern als ein wenig gestrig orientiert angesehen werde, weil ich Einsichten, Erfahrungen und v.a. Kultur, Filme, Musik von den 60ern bis 90ern in meine Wertewelt mit einbaue und nachhaltig vermitteln möchte. Aus meiner Perspektive zusammen mit dem was in der aktuellen Zeit anliegt.

Das reicht aber nicht! Elternschaft ist viel mehr als das Vermitteln der für die aktuelle Gesellschaftsphase notwendigen Überlebensinstrumente! - Die Grundüberzeugung und Familienpositionierung spielt eine riesige Rolle, ... angepasst an die Zeit:

Medienveränderungen sind in der Generation zu unseren Kindern eminent (TV, Gameboy, Handy-SMS, PC-Spiele und Spielekonsole) geworden. - Das muss als Wahrnehmungswelt der Kids realisiert werden statt Straße, Wald, Outdoor, Bolzplatz und allem, was zuvor seit eh und je da draußen passiert ist. Es hat sich gewandelt.

Unsere Kinder verweigern - wohl aufgrund der Umwelteinflüsse - die Geschichte. Als solche im Allgemeinen und auch die Eigene im Besonderen. Das macht es jetzt im Elternjob nicht leicht, Bewusstsein für die Werte der eigenen Herkunftsprägung zu schaffen bzw. Grundlagen zu vermitteln, auf deren Boden unsere Kinder dann ihren eigenen zusätzlichen und individuellen Weg finden.

So habe ich mir das immer vorgestellt. Klappt aber nicht Eins-zu-Eins. Die nachfolgenden Phänomene und Schwierigkeiten sind mir auffällig:

§  Ich erwische mich doch tatsächlich immer wieder bei Verhaltensweisen, die ich an meinen Eltern so überhaupt nicht schätzte und dies zum Teil nach wie vor nicht tue. Ist das zu fassen? - Mit den zunehmenden Jahren wird's natürlich nicht besser; eher im Gegenteil. Ich bemühe mich um stete Selbstbetrachtung, aber den Kids erzähle ich aus erzieherischen Gründen nichts davon ...

§  Mit der Gelassenheit ist das ebenfalls so eine Sache. Viel zu oft reibt man sich im Klein-Klein miteinander auf und opfert auf diese Weise das Wesentliche, um das es doch eigentlich gehen sollte. Nicht immer, aber eben doch viel zu häufig.

§  Der Sturm der Hormone (Pubertät) mit all seinen Gefühlen, Eruptionen, Wirrnissen, ungerechten Ausbrüchen etc. ist - jetzt da ich es von der anderen Seite aus betrachte - um einiges heftiger als die Erinnerung es für mich eingeordnet hätte. Erstaunlich.

§  Der Effekt, sich grundsätzlich gegen Ansichten, Aussagen etc. pp. der Eltern zu stellen und diesen offenbar aus Prinzip in allem zu widersprechen, ist ebenfalls viel stärker ausgeprägt, als ich mir das vorgestellt hätte. - Fast schon wieder witzig ist, was für unsinnige Behauptungen dabei doch zuweilen herauskommen.

Im Schluss habe ich heute als Vater ein wenig mehr Milde übrig für zumindest manche der Überforderungen meiner Eltern. Die waren vom Hintergrund aus Krieg und Nachkriegszeit her viel weniger im Metier drin, und konnten nicht anders.

Mit den Kids andererseits ist das so, dass man am besten wohl die individuell richtige Mischung zu finden versucht zwischen dem Zulassen und den notwendigen Grenzen. Wichtig ist, auch während oder nach heftigen Momenten den Kontakt, die innere Bindung und die positive Begleitung niemals abreißen zu lassen. Das Ziel muss sein, am Ende der Kindheit für das weitere Erwachsenenverhältnis den Respekt und die Achtung gewonnen bzw. behalten zu haben; sowie umgekehrt auch die elterliche Erfüllung, den Stolz und eine gewisse Zufriedenheit über das, was die Kinder mit u.a. unserer Unterstützung als Menschen und Personen dann aus sich selbst gemacht haben werden. Natürlich auch dieses einzigartige Ereignis der intakten Eltern-Kind-Liebe.

Es ist also tatsächlich nicht entscheidend, ob die Kids so werden oder auch machen, wie man sich das als Mutter/Vater im Hinterstübchen ja doch insgeheim vorgestellt hat. Wichtig ist nur, dass unsere Kinder zu starken, selbständigen, selbstbewussten und positiven Persönlichkeiten heranwachsen, die da draußen im Dschungel gut zurecht kommen und nach Möglichkeit vielleicht sogar etwas bewegen und so etwas wie ihr Glück finden.

So banal wie einfach ist das! Und so schwierig!

Die Moral von der Geschichte: Kind sein ist schwer ..., Elternschaft aber noch mehr!