Das Recht auf Asyl und seine Gewährung sind ein bedeutendes Instrument freiheitlich und demokratisch orientierter Gesellschaften gegen Gewalt, Verfolgung, Folterung etc. in leider noch immer zahlreich vorhandenen totalitären Regimen und Diktaturen dieser Welt. - In Deutschland ist es Grundrecht, geregelt in Art. 16a GG. Der zunächst einfache Satz lautet: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht".
Toll! - Wieder einmal bin ich einverstanden mit unserer Verfassung.
In der bayerischen Stadt aber, in der ich lebe, sind jetzt allerdings 12 "Asylbewerber" (<-- zynisches Wort, s. bitte weiter unten) und Flüchtlinge aus dem Iran in einen Hungerstreit getreten. Eine gute Woche ist das jetzt her. Sie kampieren in einem leichten Zelt vor dem Rathaus. Sie meinen das nicht als PR Maßnahme, sondern bitterernst. Ich konnte mit einigen sprechen.
Eine Annäherung: Diese Menschen sind in einer ehemaligen und äußerst heruntergekommenen Kaserne (Deckname: Gemeinschaftsunterkunft) beinahe gefängnismäßig untergebracht, inklusive täglich einem Karton seltsam zusammen gestellter Lebensmittel. Keine Bewegungsfreiheit, keine Grundversorgung, die man so nennen möchte, keine Integrationsmöglichkeiten, natürlich keine Arbeit und vor allem KEIN ASYL.
Gerade in der vergangenen Woche hat der neue Bundespräsident in seiner Vereidigungsrede die Wertbedeutung von Freiheit und Würde nachhaltig für unsere Gesellschaft hervorgehoben.
Zunächst sehr betroffen von der drastischen Maßnahme eines Hungerstreiks verstehe ich nun doch, wie es gerade zu diesem letzten Mittel kommen konnte. Es drückt als physisch sichtbar gewordenes Bild auf erschreckende Weise die Realität ihrer Existenz hier in Deutschland aus.
Wie nur kann es mitten unter uns zu solchen Zuständen kommen, die Menschen in der Schwebe zurücklassen zwischen Nicht-Legalität, Perspektivlosigkeit und v.a. Inhumanität?

Als Bürger und Einwohner unseres Deutschland kapiere ich durchaus die politisch-behördliche Dynamik sowie die Methode, wie das in der Praxis vor sich geht, aber es ist doch einfach nur beschämend. Und zusätzlich empört darf und muss man natürlich auch darüber sein, dass sämtliche entweder politisch oder beruflich Involvierte an ihrer jeweiligen Stelle dies alles sehenden Auges und sehr wohl wissentlich tun. Alles andere wäre einfach in die Tasche gelogen.
Beschämend ist das! Schämen tue ich mich aber auch dafür, dass ich selbst erst jetzt hinschaue, da 12 Menschen und mit ihnen weitere (noch) nicht Hungerstreikende keinen anderen Ausweg mehr sehen. Für sich und für ihr Leben, das ganz gewiss Würde verdient hat. Und auch ein wenig Qualität und Inhalt und, und, und. So wie wir alle.
Ende Januar 2012 hat sich in der GU (Gemeinschaftsunterkunft) meiner Stadt ein tragischer Selbstmord ereignet. Mohammad Rashepars sah wahrscheinlich keine Zukunft mehr für sich, keine Möglichkeit der Rückkehr, kein Leben das stattfand und nicht die Aussicht, dass sich dieser Zustand je verändern würde. Er traf für sich in der Konsequenz die einzige Entscheidung, über die er (brutal gesagt: in seiner Situation) selbstbestimmt noch entscheiden konnte. Jedenfalls scheint es so, wissen kann man das nicht. - Seine Mitbewohner und Kameraden im Flüchtlingsschicksal haben nun entschieden, dass es so für sie alle nicht weitergehen darf und diesen ebenso verzweifelten wie mutigen Schritt zum öffentlichen Hungerstreik unternommen.
Ich schäme mich für mein eigenes Phlegma angesichts solcher Zustände direkt vor meiner Haustür und sage, dass wir das alle miteinander tun sollten. So etwas dürfen wir einfach nicht zulassen.
Wie geht die Stadt und gehen wir nun mit dieser Situation um, die uns auf diese Weise so drastisch vor Augen geführt wird?
Wahnsinn, Business as Usual! - Direkt vor Rathaus, Kaufhaus und Einkaufsmeile liegen die Hungerstreikenden im Zelt mit ein paar Unterstützern drum herum. Die Stadt aber schaut einfach nicht hin, die Leute gehen ganz überwiegend kopfschüttelnd oder in die andere Richtung blickend weiter ihrer Wege.
Ich habe mich erkundigt. OB, weitere Bürgermeister, Stadträte, Offizielle? Totale Fehlanzeige! Nein Halt, da war doch jemand von der SPD und auch von den Linken in der Woche mal da. Aber wer und ob das nicht eher privat zufällig war ... Schulterzucken.
Die Unterstützer haben vielleicht zu wenig Erfahrung darin, wie man erfolgreich Demos ansetzt und die entsprechende Aufmerksamkeit erzeugt. Das kann Ihnen niemand verdenken. Die Beamten unserer Stadt hätten sich anders verhalten müssen.
Eine Provinzgroßstadt im nördlichen Bayern. Ich sehe absolut niemanden, der in irgendeiner Art und Weise unsere Stadt oder den Landkreis repräsentieren würde. Okay, ich kenne nicht jeden persönlich, aber niemand gibt mir auch nur einen Hinweis darauf. Und ich habe mich durchaus umgeschaut und erkundigt.


Ein Vertreter des Sozialstaatsministeriums gibt zur Situation der Hungerstreikenden auf Nachfrage am Telefon tatsächlich die Ansicht zum Besten, dass die meisten Menschen ja der Meinung seien, solche Asylbewerber könnten wieder gehen, wenn ihnen die Zustände hier nicht gefallen. - Ohne Worte!
Der Hungerstreik zielt in seinen Forderungen ausschließlich auf die zuständige Landesregierung ab und macht der Kommune keine Vorwürfe. Nobel, obwohl diese sich offenbar verhält wie vor drei Generationen schon einmal während einer ganz anderen Gemengelage, wenn ihr versteht, was ich meine. Ich empfinde das als schäbig und unwürdig von allen Parteien und Fraktionen im Stadtrat. Schämt Euch verdammt noch mal! Insbesondere der OB! Es ist seine Stadt! Er trägt Verantwortung und hat eine Fürsorgepflicht für das Schicksal der Menschen an diesem Ort.
Die Hungerstreikenden halten während der Abschlussworte am Ausgangspunkt der Demo ein Transparent in die Höhe auf dem steht: "Selbstbestimmung & Meinungsfreiheit statt Residenzpflicht & Lagerzwang".
Dem ist nichts hinzuzufügen außer dem lauten Ruf, dass das in der Verfassung grundlegende Asylrecht aus historisch sehr gutem Grund den Gedanken und Überzeugungen unserer Verfassungsmütter und -väter folgt. Darauf sollten wir uns besinnen und entsprechend handeln.
Geht hin und sprecht mit diesen Menschen in unserer Mitte. HELFT IHNEN!