Mittwoch, 2. November 2011

Antwort auf Kommentar zur „UNESCO-Mitgliedschaft Palästinas“(KW 44/2011)



Prima, dass diskutiert wird bzw. wie jetzt der Artikel von Herrn Clemens Wirgin auf „Welt Online“ sozusagen als Gegenrede in diesem Blog (eingestellt unter „Thema 3“) landet. Ich bin vom Inhalt noch ganz verdattert und möchte gerne ein paar Punkte dazu sagen. – Vielleicht kann ich ein wenig die Schärfe herausnehmen und zum Überdenken einladen.

(1)    Ich verstehe zunächst, dass Herr Wirgin kein Freund der Vereinten Nationen ist. Darüber hinaus positioniert er sich deutlich im Rahmen konservativer israelischer Politikperspektiven bezüglich der Palästinenser und lobt ausdrücklich das amerikanische Verhalten gegenüber der UNO. Er besitzt Fachkenntnisse zur Entwicklung der Palästinafrage und setzt diese auch in seinem Sinne ein. Ich sage „in seinem Sinne“, denn er unterschlägt mitunter Kontexte und verschweigt entscheidende Aspekte.

Mir ist das alles zu polemisch formuliert, wenn ich auch anerkennen muss, dass der Mix aus sachlich korrekten Informationen und dann wieder meinungsmanipulierenden Darstellungen geschickt gemacht ist.

(2)    Die UNESCO verstößt durch die Aufnahme der Palästinas mitnichten gegen geltendes Recht, denn es handelt sich weder um die Aufnahme als Staat noch um eine offizielle Anerkennung als solcher. Mit Blick auf die Aufgaben der UNESCO ist die Aufnahme der Palästinenser durchaus sinnvoll und die Autonomiebehörde offizielle Rechtsvertretung. Freilich geht es den Palästinensern tatsächlich auch um etwas anderes als die Kulturpflege, nämlich um neue politische Bewegung in der Sache ihres Volkes. Das ist ja klar und will ich nicht bestreiten.

Der Vergleich mit einer Anerkennung durch das Saarland (wo ich übrigens aufwuchs) ist abgeschmackt und eben polemisch, denn die hoheitliche Rechtslage ist völlig unterschiedlich! Die UNESCO oder auch die WHO und andere Unterorganisationen dürfen aus bestimmten Gründen heraus auch Nicht-UNO-Mitglieder aufnehmen. Genau so hat es unsere BRD einst gemacht, weil sie als Teilnation (und dem jeweiligen Veto der Sicherheitsratsmitglieder) nicht Vollmitglied der UNO sein konnte. Erst mit dem Grundlagenvertrag und dem gemeinsamen Antrag von DDR und BRD wurde das 1973 möglich.

(3)    Auch Herr Wirgin bestreitet nicht das Recht der Palästinenser auf ein eigenes Staatswesen. Wozu also bitteschön die Aufregung? Abbas tut doch nur, was jeder tun würde, um Bewegung in eine jahrelang an die Wand gefahrene Verhandlungskiste zu bringen. Das ist allemal besser als Raketen und Gewalt.

(4)    Israel selbst ist ein in der jüngsten Neuzeit künstlich wieder aufgrund der Bewegung  von Herzl und der besonderen Umstände des Holocausts erschaffener Staat (Das war zuvor britisches Protektorat). Die ebenfalls gerade erst geründete UNO erkannte ihn damals an in direkter Verbindung mit der Gründung eines benachbarten palästinensischen Staates (es kam nicht dazu wegen des Angriffs arabischer Staaten auf Israel als Antwort auf die Gründung).

Israel besteht von Rechts wegen auch deshalb, weil die UNO sein Existenzrecht gegen die früheren arabischen Widerstände (ich sage „früheren“) stets verteidigte und gewährleistete. Dieses Recht steht auch den Palästinensern zu. Ich verstehe es als eine Kernaufgabe der UNO, dieses zu befördern.

Gegenwärtig wird es allerdings eher nicht dazu kommen, weil es durch amerikanische Veto im Sicherheitsrat keine Anerkennung als Vollmitglied geben wird.

(5)    Die UNO ist eine undemokratische und verlotterte Organisation? – Aha! Wenn Entscheidungen nicht gefallen, dann sind sie also antiwestlich, antiisraelisch, kurz „verlottert“. Alle Pro-israelischen Beschlüsse und Schutzgeschichten lassen wir in dem Moment einfach mal weg. Undemokratisch und nicht konstruktiv ist wohl eher das Gremium und die Macht dieses Sicherheitsrates, dessen Funktionen nicht an die Gegenwart nach dem kalten Krieg angepasst wurden. Die Möglichkeit eines einzelnen Mitgliedes zur Blockade gegenüber den Einsichten der Welt, die wir heute haben, macht keinen Sinn. Das nenne ich undemokratisch.

Zu der Strafaktion mit dem Geld ist das meiste schon gesagt. Wenn es zur Zeit einen Rechtsbruch in der Angelegenheit gibt, dann ist es dies.

(6)    Zweimal in 2000 und 2008 sollen die Palästinenser ganz konkret die Chance auf einen richtigen Friedensvertrag mit Staat und allem drum und dran gehabt und ausgeschlagen haben. Arafat habe es mit Barak und Abbas mit Olmert nicht hinbekommen; dann handelt man sich eben den Hardliner Netanjahu ein. Schön gesagt, aber so stimmt das nicht …

In 2000 war es mitnichten die palästinensische Seite, die den praktisch schon fertigen Vertrag blockierte und mit immer neuen Forderungen torpedierte, sondern ausdrücklich Barak, den Bill Clinton in seinem Buch „Mein Leben“ allein verantwortlich macht für das Scheitern dieses möglichen historischen Moments.

Über 2008 weiß ich nicht so viel, aber meine Wahrnehmung ist, dass nach der Kehrtwende im Ministerpräsidentenamt und den für mich damals erstaunlich großen Friedensbemühungen des ehemaligen Hardliners Sharon (der ins Koma fiel und wohl noch heute dort liegt) sein Nachfolger Olmert den bis dahin erreichten Status im Verhandlungsverhalten eher wieder negierte, so dass dann nichts daraus wurde.

(7)    Die von Herrn Wirgin mehrfach zitierten „Osloer Verträge“ (es waren Norweger, die mit eigener und zunächst nicht staatlicher Initiative Anfang der 90er Jahre überhaupt  erst Bewegung und direkte informelle Gespräche eingefädelt haben, welche zu der Zwischenlösung der palästinensischen Autonomiebehörde führten). Diese Verträge regelten erstmals ein Nebeneinander und sind damit Meilenstein! Die Palästinenser erkennen darin die Realität des entstandenen Siedlungsbaus an, mit der vertraglich umzugehen sein wird. Das ist bis heute nicht in Frage gestellt worden. – Ich bin kein Parteigänger Palästinas, sondern jemand, der eine nachhaltige Lösung in diesem global schwierigsten Konflikt der Welt begrüßen würde. Es ist nun einmal in der vorliegenden Situation Israel, das die territorialen Hoheitsrechte eines Staates Palästina nicht akzeptieren möchte, u.a. weil man auf diesem Gebiet  systematisch wie auf einem Flickenteppich rechtswidrig gesiedelt hat.

So aber kann es logischerweise niemals eine Lösung geben. Israel wusste immer, dass man auf exterritorialem Gebiet siedelt. Tatsachen erschaffen macht noch lange kein Recht aus. – Die Siedler müssen entweder nach Israel zurück kehren oder aber in einer entsprechenden Regelung für ihren Status unterkommen. Soweit ich das sehe, sind die Palästinenser zu solchen Regelungen durchaus bereit (Betrifft ja die Westbank und nicht Gaza, das noch einmal ein besonderes Thema ist).

(8)    Die Stadt Jerusalem wird in dem Artikel nicht angesprochen, was mich wundert, denn dies nehme ich immer als einen Punkt wahr, den die Palästinenser ihrerseits unklug behandeln. Sie bestehen darauf, diesen wichtigsten Platz der drei großen monotheistischen Religionen zu ihrer Hauptstadt machen zu wollen. Das geht natürlich in der machbaren Praxis nicht.

Die Anerkennung Israels (181/1947) sah eine Zweistaatenlösung vor mit Jerusalem als neutralem Bezirk unter UN Verwaltung. Diesem unverstellten Blick aus einem Moment vor den späteren Verkomplizierungen sollte man einfach folgen. Dieser aus vielen historischen Gründen heraus so besondere Platz Jerusalem sollte sowieso der ganzen Menschheit gehören. Für die Verwaltung ließen sich gewiss entsprechende Regeln der Einbeziehung Israels und Palästinas gleichermaßen schaffen.


Am Wichtigsten aber ist, dass die Gewalt endlich aufhört, dass der Hass auf beiden Seiten anfängt ersten Schritten der Versöhnung und des Ausgleichs zu weichen, dass alle Beteiligten die fundamentalen Rechte des jeweils Anderen respektieren und achten, dass Zäune und Mauern eingerissen werden, dass Raketen, Kalaschnikows etc. auf dem Schrottplatz der Geschichte landen, … oder besser noch im Recyclingcenter fachgerecht zerlegt für was Nützliches verwendet werden.

Es wäre echt einmal an der Zeit. Das findet bestimmt auch Herr Wirgin.

Gruß an alle Leserinnen und Leser, Christoph

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