Montag, 7. November 2011

Zwischenruf zur Gier am Pranger der evangelischen Kirche (KW45 / 2011)



In Magdeburg tagt die Synode der Evangelischen Kirche und fragt: „Wann wird das wieder eine Tugend – sich selbst begrenzen können?

Und weiter sinniert die mitteldeutsche Landesbischöfin Ilse Junkermann fordernd darüber, ob „[…] die in den Banken und Börsen Verantwortlichen […] die Kehrseiten ihres Handelns sehen und umkehren zu Regeln, die das Interesse aller vertreten? Die reichen Länder würden mittlerweile in ihren Schulden ersaufen und setzten dabei immer noch auf Wachstum als gäbe es keinerlei Grenzen.

Der EKD Vorsitzende Nikolaus Schneider (Nachfolger der gestrauchelten Hoffnungsträgerin Margot Käßmann) ergänzt in der Weise, dass es jedoch wieder die Armen der Welt in der Krise am Stärksten trifft. Die Finanzakteure müssten gezügelt und die Finanzstrukturen so gesteuert werden, damit sie nicht der Bereicherung Einzelner, sondern dem Leben Vieler dienten.


Wunderbar !! Ichstimme zu !! Toll, da sagt ja endlich ein Moral- und Werteträger der Gesellschaft etwas Deutliches. Danke.

War’s das jetzt? Leider Nein, denn ich habe auch Zweifel. Ich habe erhebliche Zweifel und Bauchschmerzen dazu. Ich traue der Organisation und Institution Kirche nicht vollends, es ist ein inneres, instinktorientiertes Misstrauen.

Nicht, dass ich infrage stellen möchte, dass die Kirche viele soziale, wichtige und gute Einrichtungen sowie Projektgeschichten betreibt. Nicht, dass ich infrage stellen würde, dass die Landesbischöfin und der Präses nicht genau meinten, was sie sagen. Es ist das Konzept und in der Gesellschaft installierte Modell von dem System Kirche selbst, das mich skeptisch sein lässt. Zu viele historische Widersprüche und zu viel aktuelles Missverhältnis zwischen kolportierten Werten und dem tatsächlichen Handeln. Zu viele persönliche Erfahrungen, Nicklichkeiten und Beobachtungen im Namen der Kirche.

Einschub: Das und warum ich kein glaubender Mensch im Sinne von Religiosität bin, mein Problem mit der Amtskirche, der fehlenden Trennung zwischen Kirche und Staat und warum ich dennoch Mitglied geblieben bin, erläutere ich Euch ein andermal. Es steht auf meiner Themenliste.

Da werden schicke Appelle in die Medienlandschaft geschickt. Zeitgemäß und den aktuellen Nerv treffend, denn Occupy geht überall auf die Straßen, besetzt Plätze und Institute, artikuliert sich. In Griechenland brodelt eine ganze Gesellschaft und droht in ihrer Wut damit außer Kontrolle zu geraten, weil es halt die Menschen sind, welche die Zeche für die Gier und Maßlosigkeit von eigentlich Wenigen zu blechen haben. Vielleicht sogar der Beginn eines Massenaufstandes über viele Grenzen hinweg; man weiß es noch nicht.

Passend dazu jetzt der Kirchen-Appell gegen die Gier! Leute, ich habe da diese Zweifel, weil die Kirche zwar predigt und mahnt, aber nichts tut und nichts einsetzt, um anzugehen gegen Dinge, welche sie anders behandelt haben will. Sie demonstriert einfach nicht (als Kirche, einzelne schon wie Aktion Sühnezeichen und andere), setzt ihren unfassbar großen Einfluss auf Staat wie Gesellschaftsinstitutionen nicht ein und handelt bei eigenen Interessen (Besitz, Pfründe, Finanzierungen) oft nicht in der Weise ihrer eigenen Werte.

Friedensbewegungen (+ diverse Kriege & Genozide), Ökologie, Umwelt, Atomkraft. Wo ist die Kirche selbst mit echten Bemühungen tatsächlich an der Seite der Menschen? Sichtbar, anfassbar, auf der Straße, bei Konferenzen oder in den Büros und dem Gewissen der Politiker?

Ich sehe die Kirche einfach nicht etwas im Sinne ihres Glaubens und gewonnener Überzeugung für unsere Zeit bewegen. Krass gesagt: Sie labert nur an die Herde der Schäfchen hin, was opportun zwischen Zeitgeist und das Neue Testament passt.

Es gibt keinen wirklichen Einsatz für in der tatsächlichen Sache ganz gewiss lohnende Ziele. Etwa Druck zu machen für ordentliche und global-soziale Regeln der sogenannten Finanzprodukte. Druck auf EU und USA gleichermaßen, so dass z.B. ein an seiner Lobbyklientel hängender Obama Schwierigkeiten bekäme, sich im Sinne der Finanzierer des politischen US-Systems weiter zu sperren. Die weltweit vernetzte Kirche – anders als die meisten – hätte viele Möglichkeiten und Zugang. Wow! Das würde meinen Respekt erringen und mich Fragen der Glaubwürdigkeit neu überdenken lassen.

Aber sie tut’s nicht.

Die Kirche bearbeitet im Rahmen ihrer Vernetzung mit Staat und Politik (hier in D) hauptsächlich den eigenen Steuerstatus und die von ihr betriebenen  Einrichtungen wie Kindergärten, Altenheime, Krankenhäuser, Pflegedienste, Beratungen etc.

Nicht, dass das alles nicht wichtig wäre, aber doch irgendwie auch armselig. Angesichts der Gesamtaufgabe und der eigentlichen Glaubensbotschaft, die zu vertreten sie für sich in Anspruch zu nehmen behauptet. Sie tut es nicht in Taten nach ihren eigenen Worten. Das ist das Problem mit der Kirche.

Es scheint so etwas wie ein nicht formulierter Deal mit dem Staat zu sein. Die Kirche tritt ihm nicht aktiv ans Bein und übernimmt in beidseitigem Interesse etliche staatliche Sozialgeschichten, dafür sammelt selbiger ihr eine äußerst fette Steuerfinanzierung ein, lässt in Schulen (und sonstwo) rumbeten, hängt Kreuze auf und zieht den Religionsunterricht bis zum Abitur durch.

Sorry! Ich glaube einfach nicht mehr, dass etwas hinter solchen Worten wie auf der Synode in Magdeburg steckt. Schön appelliert, aber nur heiße Luft, die nichts bewirkt und wahrscheinlich nicht einmal Bewegungen wie Occupy tatsächlich unterstützt.

Der Bundesinnenminister Friedrich (CSU) sprach auf derselben Veranstaltung ein Grußwort und sagte doch tatsächlich, dass auch der säkulare Staat angewiesen sei auf das werteorientierte Handeln seiner Bürger, wofür die Kirche eine Grundlage lege.

ABSOLUTER WAHNSINN! – Welchen säkularen Staat mag der Mann nur gemeint haben? Die Türkei, China, gar Nordkorea oder bestenfalls Frankreich? Unser Deutschland jedenfalls nicht, denn das ist alles andere als ein säkularer Staat. Wer anderes postuliert, befindet sich qua Fakt im Zustand von Selbstlüge und beschämender Heuchelei. Drum bin ich ja so frustriert über Handeln und Nicht-Handeln der Kirche.

Um vielleicht mit den Worten bezüglich der Gier keine falschen Vorstellungen aufkommen zu lassen, wird gleich zu Beginn der Synode klar gestellt, dass man als Kirche zwar Mindestlöhne, den Atomausstieg und die Möglichkeit eines selbst verantworteten Lebens bei voller Berufstätigkeit begrüße, aber – mit meinen Worten übersetzt – in der Kirche als Arbeitgeber nicht die Gewerkschaftsforderungen von Tariflöhnen und Streikrecht einführen wolle. Man sei vielmehr auf gerechten Lohn im Konsens aus.

Wer’s glaubt. Konsens ohne Möglichkeit, gegen den Kirchenkonsens zu verhandeln. Das nennt die EKD dann den dritten Weg.

Die bis Mittwoch (09.11.2011) andauernde Synode der Evangelischen Kirche übrigens steht unter dem Motto der Mission: Man müsse die Menschen neu für den Glauben gewinnen und dürfe nicht zu einem die Vergangenheit verherrlichenden Museum werden.

EBENFALLS WAHNSINN. – Mission und Vergangenheit in einem Satz. Mir läuft es eiskalt den Rücken herunter. Nicht so geplant mit den Worten  – ich weiß – aber Tatsache ist nun einmal, dass das einzige, was Hitler und Stalin im Abschlachten übertroffen hat, die sogenannte Mission in der Vergangenheit ist. Und zwar beide zusammen genommen.

Ohne dem Präses etwas unterstellen zu wollen, so sage ich doch, dass mit Motto und Worten nicht nachgedacht wird bzw. die Sensibilität, die irgendwo notwendige, innere Auseinandersetzung fehlt, und zumindest offenbar das diplomatische Feingefühl nicht vorhanden ist.

Ich habe ein Thema geplant: „Unser Glaube, unsere Kopftuchtoleranz“. Darin erzähle ich Euch etwas – wenn Ihr mögt – zu meiner Kritik gegenüber den drei großen monotheistischen Religionen, warum ich nicht an Gott (oder anderes) glaube, aber doch ein Mensch mit Glauben bin und einiges mehr im Kontext. Wahrscheinlich so um den Jahreswechsel 2011/12 herum. Mal sehen …

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