Dienstag, 1. November 2011

Zwischenruf zur palästinensischen Vollmitgliedschaft in der UNESCO (KW44 / 2011)


Das ist an diesem Tag (31. Oktober 2011) eine wirklich mutige und eine wichtige Nachricht! Die UNESCO hat Palästina mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit als Vollmitglied aufgenommen. Damit wird faktisch die Tatsache des eigenständig und für sich selbst handlungsfähigen Volkes bzw. eine Art Staat Palästina durch eine Teilinstitution der UNO anerkannt. Und die bisherige Regeldynamik der VEREINTEN NATIONEN sähe eigentlich vor, dass eine reguläre Vollmitgliedschaft folgen müsste.

Dies allerdings werden die USA (und vielleicht auch Großbritannien, das sich heute enthielt) mit der speziellen Macht eines Vetos im Sicherheitsrat verhindern. – Jenes Gremium, das eine wichtige Rolle in den Zeiten des Kalten Krieges einnahm, … seit 20 Jahren aber irgendwie gestrig bzw. mit durchaus fragwürdig zu bewertenden Interessen daherkommt, welche meiner Einsicht nach nur zu häufig die tatsächlichen Interessen der Weltgemeinschaft bestimmten partikulären Interessen der mächtigen ständigen Mitgliedern opfern muss. Das hat zumeist und längstens nichts mehr mit der Bewahrung des ‚Weltfriedens‘ zu tun.

Schon vor Wochen bei der Antragsstellung dachte ich daran, dass dies ein pfiffiger Schritt ist, welcher darauf drängt, doch endlich einmal Farbe zu bekennen und gegebenenfalls das wahre Gesicht zu offenbaren.  Keine Raketen, die über Grenzen geschossen werden, keine Attentate und Entführungen, keine Scharmützel, sondern ein Antrag auf eine Statusanerkennung, deren grundsätzliche Rechtmäßigkeit niemand bestreiten könnte, aber so viele Involvierte nicht haben wollen, weil es bedeutet, dass der Status Quo einfach falsch läuft.

Ich war froh, dass bei Antragsstellung der offenbar angeheizte Medienhype, dies würde der Gewalt Vorschub leisten, sich in der Folge nicht bewahrheitete. - Dieser Schritt ist nicht der Grund für die Gewalt, sondern der Umstand, dass einem ganzen Volk die fundamentalsten Rechte immer weiter vorenthalten bleiben.

Der Reihe nach:

Drohgebärden durch Israel (sichtbare Mobilmachungen wegen Sicherheit und so) und die USA (Nichtanerkennung eventueller Beschlüsse) bei Antragstellung.

Die UNESCO erkennt Palästina als Mitglied und damit indirekt auch als existierenden Staat an. à Das ist nach Lage der aktuellen Diplomatie so mutig wie nur konsequent und eine echte Besinnung auf die eigenen Aufgaben ohne Druck und Drohungen nachzugeben.

Schwupps! Die USA frieren Zahlungen ein. Wow, 60 Mio. Dollar! Wunderbar und so unerwartet. Verstehe ich das richtig? Demokratische Wahlentscheidungen nach Regeln, die wir selbst mit geschaffen haben, sind nur dann in Ordnung, wenn sie im eigenen Sinne und Interesse ausfallen? Wenn nicht, ignorieren wir Sie einfach und strafen diese Demokraten und ihre Organisation ab! – Nun, ich könnte nicht behaupten, dass ich besonders erstaunt wäre: Die USA benehmen sich eben so und im Sinne einer führenden Weltmacht halt ziemlich bescheiden und letztlich einfach dumm-tumb-falsch. Wie tragischerweise und leider schon so oft. Wohl, weil sie die Sache und Situation vor Ort nicht verstehen können oder sich der Lobby im Inneren (wahrscheinlich) zu sehr verpflichtet fühlen. – Was mich enttäuscht, das ist, dass die Administration Obama hier nichts bewegt, obwohl sie genau das der ganzen Welt als Hoffnung so vollmundig versprach; … sogar einen Friedensnobelpreis mitnahm und schlicht nichts davon außerhalb der USA wirklich einlöst. Wie unendlich erfolgreicher war dagegen Bill Clinton in den 90er Jahren (z.B. Irland, Balkan und eben Palästina, obwohl die israelischen Administrationen es ihm nach Rabins Tod nicht leicht machten).

Deutschland stimmte heute an der Seite der USA mit NEIN dazu, dass die Palästinenser in der UNESCO Mitglied als Volk sein können! – Und Deutschland betonte aber, dass man an dem Ziel eines palästinensischen Staates trotzdem festhalte. – Wie aber das? Handlung und Aussage widersprechen sich. Könnte es denn eine bessere Gelegenheit auf dem schwierigen Weg zum palästinensischen Staat geben als die Anerkennung im Rahmen einer Kulturorganisation?

Diplomatisch wohl kaum. Wollte man nach Libyen nicht noch einmal nicht mit den USA stimmen? Wie peinlich ist das denn? Und warum wurde in der EU darum verhandelt sich kollektiv zu enthalten? Als Bürger – wenngleich unbeteiligt – schäme ich mich. Die EU und auch Deutschland muss sich positionieren, aber bitteschön mit der Linie, welche unser Land auch tatsächlich verfolgt. Nicht mit schleimender Heuchelei. Gut, dass andere EU-Länder wie Frankreich und viele der 193 UNESCO Mitglieder sich nicht so gebunden fühlten.

A Propos 60 Mio. Dollar Verlust an Finanzierung der UNESCO durch die USA. Ist dieses Land ein korrekt zahlendes Mitglied der Institutionen der Weltorganisation oder nicht etwa ihr größter Schuldner?! – Davon spricht gerade niemand, aber mit der Zahlungsmoral der Amerikaner steht es schon lange nicht zum Besten. Anerkannt wird einfach nicht, dass es eine gemeinsame Weltveranstaltung ist und nicht ein Instrument des „American Way of Life“. Ich hab nichts gegen das amerikanische Ding, aber etwas dagegen es völlig verschiedenen Kulturkreisen mit seltsamen Methoden aufzudrängen.

ISRAEL

Verhält sich in jeder Weise irgendwo kontraproduktiv. Das Land müsste strategisch ein Interesse daran haben, in seiner Region Platz, Ordnung und Heimat einzunehmen. Gerade jetzt böte der sogenannte ‚arabische Frühling‘ sogar eine besondere Chance zu neuer Rolle und Positionierung.

ABER NEIN. Immer weiterer bewusst provozierender Siedlungsmist (und Völkerrechtsbruch!), Blockaden humanitärer Aktionen, Zäune & Mauern, Vergeltungsschläge gegen Vergeltung und Vergeltung u.s.w. (beidseitig Hamas/Hisbollah), politischer Druck auf alles, was Bewegung, Deeskalation oder Fortschritt des Status Quo gegenüber des Machtgefüges bedeuten würde. – An diesem Zeitpunkt Ende 2011 angekommen bleibt nur zu sagen: UNSCHLAU UND EIGENTLICH SOGAR DUMM!!

Geschuldet wohl der gestrigen Überzeugung, dass militärische Überlegenheit alles löst und man die illegalen Besiedlungen in der Westbank nach dem 6-Tage-Krieg nicht mehr hergibt. à Genau dies ist neben dem anerzogenen Hass von in Lagern herangewachsenen palästinensischen Generationen der Kern des heute aktuellen Konflikts. Unnötig wie nur irgendwas, denn anders als zur Gründung des Staates Israel wäre die Akzeptanz seiner Existenz heute in der Region mehr als nur erreichbar. Eine moderne Nachfolgeorganisation der „Arabischen Liga“ stünde auf der Agenda.

Ich sage das als Europäer, aber gerne auch als Deutscher, trotz oder moralisch gerade wegen des Holocausts und der deutschen Geschichte. Der heutigen israelischen Politik muss deutlich mal die dunkelorange Karte bzgl. weiterer Unterstützung gezeigt werden; gleichzeitig mit den probaten Mitteln bzgl. der Palästinenser, wozu weder Raketen noch Vergeltungsaktionen gehören. Es ist wahrscheinlich simpler als alle denken.

Ketzerische Fragen

Hätte man Deutschland 1925 die Aufnahme in den Völkerbund als Kriegsverlierer verweigern sollen?

Historiker sind sich eigentlich einig, dass dieser Schritt damals für stabilisierende Wirkung sorgte. – Es war vielmehr das unerwartete Ende der Administration Stresemann und die Weltwirtschaftskrise mitsamt der noch kinderschuhartigen Festigkeit des Staates, die dann die Nazis auf den Weg brachten.

Hätte man den damals beiden deutschen Staaten die Aufnahme als UNO Mitglied 1973 verweigern sollen? Wäre das politisch produktiv gewesen? Hätte es Konfrontationen besänftigt oder vielmehr befeuert? – War es falsch, diese beiden deutschen Staaten als Vollmitglied aufzunehmen und ist der weltpolitischen Auseinandersetzung Schaden oder Nutzen entstanden?

Hätte man 1948 seitens der neu gegründeten UN Israel nicht anerkennen sollen als Staat, um die in der Region ebenfalls nach Kolonialherrschaften, Protektoraten und dem 2. Weltkrieg neu entstehenden Systeme nicht zu verschrecken?

Hätte man das nicht tun sollen? Meint das irgendjemand im Ernst?! – Ich hoffe, wir erleben demnächst eine israelische Administration, die begreift, dass ihr Land mit seiner Gründung von der UNO Resolution 181/1947 unglaublich profitierte, welche ausdrücklich die Zweistaatlichkeit mit Palästina und Jerusalem als international neutralem Bezirk vorsieht. Das hoffe ich wirklich, es wäre so einfach, denn alles so pathetisch vorgebrachte Recht beruht im Wesentlichen auf diesem genannten Akt. Warum also nicht danach handeln; es würde heute mit etwas Konsequenz in den eigenen Systemen auf beiden Seiten funktionieren.

Lösung simpel formuliert

Die palästinensischen Organisationen müssen die Beteiligten und die Ihren mit Nachhaltigkeit umpolen, denn sie haben ein Problem mit in ganzen Generationen erzogenem Hass auf die Existenz und Realität Israels.

Israel muss seine politische Grundausrichtung und sein Wirken ändern. Israel muss die Existenz in den einst definierten Grenzen realisieren und diesen unseligen Siedlungsbau nicht nur beenden, sondern für alle Welt sichtbar zurückführen (wer bleibt, begibt sich in eine Regelung mit Palästina). Sprich: Kein Roadmapquatsch!

Ich hoffe sehr,

dass die Initiative des UN Antrages der Palästinenser etwas in Bewegung setzt. Nicht weil ich auf ihrer Seite stünde, Nein, vielmehr weil ich mir einen neuen gangbaren Weg für diesen schwierigsten aller Konfliktherde auf der Welt erhoffe.

ES IST AKTUELL NICHT SEHR REALISTISCH – ich weiß, … aber nur so (und im Detail ausgearbeitet) würde es funktionieren und hätte der Nahe Osten eines Tages eine Chance. Sozusagen wie dereinst das Verorten Deutschlands innerhalb einer Weltgemeinschaft.

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Auch die BRD hat ab 1951 zunächst über etliche Teilmitgliedschaften seinen Weg in Richtung Mitgliedschaft der Staatengemeinschaft begonnen. – Weil es auf so bescheidene Weise bündnistreu geschieht, halte ich diese Abstimmung für unser Land beschämend und die ganze Halb und Halb Positionierung Europas sowieso.

2 Kommentare:

  1. Deutschland sollte die Zahlungen zur UNESCO einstellen. Nur die UN entscheidet, wer Mitglied ist und wer nicht. So ein Sauhaufen, die Unesco.

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  2. "Sauhaufen" ? "Zahlungen einstellen" ? "Nur UN über Mitgliedschaft entscheiden" ?

    Das zeugt von Unkenntnis ebenso wie von schlechtem Stil in der Wortwahl.

    Noch einmal: Die UNESCO (Generalkonferenz)nimmt ihre Mitglieder selbst auf. Das geschieht nicht durch die UN als Dachorganisation.
    Deutschland ging 1951 den gleichen Weg, weil es zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nicht Mitglied der UNO werden konnte.

    Nichtzahlung von Beiträgen als Strafaktion zeugt gerade nicht von ordentlichem diplomatischen Niveau und drückt fragwürdiges Verständnis der Umgangsgepflogenheiten miteinander bzw. auch gegenüber demokratischen Entscheidungen aus.

    Chris

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