Sonntag, 20. November 2011

Thema 8: Gorleben – Zwischen Fronten und (vielleicht) späten Lügen (KW46 / 2011)


Aus Anlass der erneut tagesaktuellen Gorleben Diskussion und dem gerade neu gefassten weiteren Erkundungsbeschluss der Regierung plus einer Suche nach alternativen Standorten und Verfahren will ich hier den Versuch unternehmen, einmal eine ganz andere Art von Gorleben – Geschichte zu erzählen, welche sich dennoch inmitten der Materie bewegt.

Vorgeschichte

Im Bundeswahlkampf 2009 setzte sich der damalige Bundesumweltminister mit einer Antiatomkampagne überaus kämpferisch vom sonstigen Kuschelkurs der großen Koalition ab. Schon zuvor war er als Minister gerne mal inszenatorisch auffällig geworden. Mir ist das nicht wirklich sympathisch, weil es meistens ziemlich ich-verliebt daher kommt und Inhalten, Arbeit und der eigentlichen Sache oft nicht viel zu tun hat. Kann aber sein, dass das erfolgreiche Spiel eben so läuft, die Menschen reagieren auf so etwas. Ich will darüber nicht den Stab brechen.

Ich lebte zu jener Zeit in Südfrankreich und verfolgte den Wahlkampf also aus der Ferne und hauptsächlich über Internetmedien. Meine Aufmerksamkeit erregte Gabriel schließlich mit dem „Knüller“, dass er Beweise dafür besitze, dass die Regierung Kohl 1983 ein maßgebliches Gorleben Gutachten habe manipulieren lassen, um auf diese Weise mit der Salzstockerkundung fortfahren zu können. In der Originalversion des Berichtes wären Zweifel zur Eignung erhoben worden, die sich in der späteren Endversion und Entscheidungsgrundlage nicht mehr fänden. Dazwischen hätte es massiven Druck durch die Regierung gegeben.




Wammm! – Das schien wirklich eine mal Bombe zu sein. Man kann sagen, dass sich mein Puls etwas beschleunigte und ich begann gleich mal nach Hintergründen zu googlen. Es ist nämlich so, dass ich durchaus eine eigene Erinnerung an diesen speziellen Bericht habe, der im Leben meiner Familie eine gewisse Rolle spielte!

Was ich fand, das war vor allem der Artikel eines Mediums aus der Region Braunschweig, in dem der ehemalige PTB Mitarbeiter (Physikalisch-Technische-Bundesanstalt / erkläre ich später) Helmut Röthemeyer mit schweren Anschuldigungen gegen die damalige Bundesregierung dargestellt wird. – Leider kopierte ich den Text nicht und kann mich wegen der vielen recherchierten Seiten auch nicht an die Zeitung erinnern, denn heute ist auch bei intensiver Netzsuche nichts mehr davon zu finden.

„Hellhörig“ machten mich im besonderen die folgenden Aussagen:

Helmut Röthemeyer wird als Verfasser jenes Gorlebenberichts dargestellt.

Er berichtet von einem Treffen am 11. Mai (dieses Treffen ist heute zum Hauptgegenstand z.B. des Untersuchungsausschusses geworden / von den anderen Ereignissen ist nicht mehr die Rede), in dem er durch Vertreter von Innen- und Forschungsministerium – letzteres zuständig für die PTB – genötigt (heute ist immer von Weisung die Rede) worden sei, bestimmte Berichtsinhalte bzgl. möglicher Risiken der Salzstockeignung zu ändern bzw. auch keine Alternativen, sondern ausschließlich die Untertageerkundung zu empfehlen.

In den Folgetagen hätte es weiteren Druck z.B. mittels einem Telex gegeben. Röthemeyer bzw. der Artikel drückt aus, dass es sich dabei um die gravierendste Erfahrung seiner gesamten beruflichen Laufbahn gehandelt habe. Ferner schimmert ein gewisser Widerwille gegen das Gebaren der Politik durch.

Ich nahm also an, dass Gabriel diese Randnotiz aus dem April 2009 (es gibt noch einen taz Artikel aus diesem Monat / später im September aber wird nur noch ein viel milderes Interview zitiert, das Röthemeyer mit der Frankfurter Rundschau oder der Süddeutschen Zeitung führte / unterschiedliche Quellenangaben) aufgriff und sich im Ministerium die entsprechenden Dokumente beschaffte. Der Fall war nicht seine eigene Entdeckung, sondern er machte nur geschickt im Wahlkampf ein Politikum daraus. – Übrigens lässt sich deutlich nachzeichnen, wie für ihn diese Angelegenheit zum Sprungbrett an die Parteispitze wurde. Das macht ihn nicht gerade zu meinem liebsten SPD Vorsitzenden, obwohl ich deutliche Positionierungen auf echtem sozialdemokratischem Gesellschaftsboden sehr begrüße.

Ich stellte mir folgende Fragen:

Wie hätte dieser Mann, dessen Namen ich in meinem Gedächtnis nicht fand, der Verfasser jenes entscheidenden Gorlebenberichts von 1983 sein können?

Auf welche Weise kam der Vorfall am 11. Mai 1983 zustande, als Vertreter gleich mehrerer Ministerien in ein an sich normales Arbeitstreffen zu dem Bericht hineinplatzten? Illoyalität? – Besonders verwirrend: ich stellte fest, dass ich mich zumindest an die Existenz dieses Vorfalls erinnern konnte.

Wurde dieser Bericht als Grundlage für eine so wichtige politische Entscheidung der Bundesregierung tatsächlich durch die an ihm beteiligten Personen manipuliert? Wenn ja, wie konnte es sein, dass die das mitmachten?

Und am wichtigsten: War mein eigener Vater etwa an einem Vorgang beteiligt (bzw. im Strudel eines solchen), der die Öffentlichkeit und Gesellschaft bewusst über ein damals sehr zentrales Thema täuschte?

Genau!

Mein Vater war damals mittendrin in diesem Vorgang. Er war Geschäftsführer der DBE (Deutsche Gesellschaft für Bau und Betrieb von Endlagern für Abfallstoffe mbH). Jenem Unternehmen also, das Ender der 70er Jahre durch den Bund eigens für den Zweck der Endlagererkundung und ggfs. Realisierung ins Leben gerufen wurde. Zuständig für die eigentlichen Erkundungsarbeiten und den Dingen, die sich unter der Erde abspielten. Er war dabei vom ersten Augenblick an und längst vor seinem Eintritt in die Gründung involviert.

Hier kommt – wenn ihr mögt – die etwas andere Geschichte zu diesem Gorleben-Bericht (und anderen Gorleben Befindlichkeiten) aus der Perspektive des Familienmitglieds eines beruflich Betroffenen.

Für eventuelle Inkorrektheiten bitte ich um Entschuldigung. Es sind subjektive Eindrücke, Erinnerungen und Gedächtnisfetzen.

Es muss so irgendwann 77 oder spätestens Anfang 78 gewesen sein, als ich bewusst das erste Mal von Gorleben hörte. Es gab damals tatsächlich so etwas wie eine Familienkonferenz (Novum!), in der unsere Eltern (mir und meinen beiden älteren Geschwistern) eröffneten, dass es für den Vater das Angebot oder die Möglichkeit gebe, bei einem ganz neuartigen Bergwerksprojekt bezüglich der Einlagerung von Atommüll mitzumachen. Zwei Aspekte wurden besonders betont: Erstens bedeutete dies einen Umzug nach Norddeutschland (wir lebten im Saarland in der Nähe von Saarbrücken, wo ich auch zur Schule ging) und zweitens sei dies für den „Papi“ sowohl von der Arbeit her eine Herausforderung als eine riesige Karrierechance mit mehr Geld und so.

Wir Kinder waren damals bei diesem Erstgespräch nicht dagegen. Meine Schwester hatte schon Abitur und begann gerade ein Studium an der Uni in SB. Umziehen müssen würden wohl nur mein Bruder und ich, aber auch das war ja noch in weiter Ferne.

Meine Eltern hatten sich im Vorfeld wohl überlegt, diese gravierende Veränderung nur weiter verfolgen zu wollen, wenn der Schritt auch mit der Familie zusammen funktionieren würde. Das muss man ihnen als Kind schon mal deutlich auf der Plusseite des Kontos anrechnen, denn damals war die Einbeziehung von Familienbefindlichkeiten bei der Karriere des Mannes nicht unbedingt üblich.

Ich realisierte es in der Folgezeit erst nach und nach, dass es da um den Chefsessel des Ganzen ging. Gorleben fing an in den Nachrichten aufzutauchen und mein Vater mittendrin.

Er kam aus dem Bergbau, dessen Umfeld irgendwo auch meine Kindheit im Rahmen der Bergbausiedlungen prägte, in denen ich aufwuchs. Mein Vater studierte während der 50er Jahre mit einem Stipendium in Nancy an der „Grand École de Mines“, der er bis zu seinem Tod in 2009 verbunden blieb. Anschließend arbeitete er als Ingenieur in verschiedenen Funktionen und Bergwerken für die Saarbergwerke (später Saarberg AG, heute in der Ruhrkohle AG bzw. RAG aufgegangen). 1972 übernahm er dort die Tiefbohrabteilung, welche nicht nur Untertagebohrungen, sondern auch für Drittkunden Erkundungsbohrungen durchführte. Diese Abteilung wurde 1975 wiederum ausgegründet in die Saarberg Interplan GmbH, in der verschiedene Aktivitäten mit Relevanz auch am Markt zusammengefasst wurden. Dort befasste man sich z.B. unter anderem mit der Erschließung von Uranvorkommen. Ich erinnere, dass mein Vater zunächst alles andere als begeistert war von dieser Konstruktion. Ich nehme an, es lag an der Vertrautheit und Sicherheit der Muttergesellschaft, denn aus heutiger Sicht war dies schon damals ein unternehmerisch moderner und richtiger Schritt, welcher Märkte und Bewegungsfreiheit öffnete.

Dann kam, was ich bereits schilderte. Es war dwohl er Mix aus der Laufbahn seiner beruflichen Tätigkeiten, die ihn zum Kandidaten für diese neue Unternehmung machte. Es waren zunächst wohl auch noch andere im Gespräch, aber vielleicht nicht solche mit seinem fachlichen Profil. Schon unter Tage war er in verschiedenen Bereichen des Streckenbaus tätig gewesen und dazu natürlich über die 70er Jahre hinweg zum Bohr- und Erkundungsspezialisten geworden.

Zur Person meines Vaters aber schon einmal vorweggenommen dies: Er bewegte sich gewiss sicher zwischen Steigern, Ingenieuren und Bergleuten, die mit ihm unter Tage fuhren; auch erfolgreich als Chef der Bohrleute und in Verhandlungen mit Kunden und Zulieferern etc., aber in der Welt von Managern und Politikern vermochte er sich letztlich nicht wirklich erfolgreich zu bewegen. Mehr noch, er verließ sie am Ende wohl extrem angewidert und mit einem Gefühl des Scheiterns, was ihn nicht unbedingt umgänglicher machte.

Gorleben wurde mir als Kind stark vereinfacht ungefähr so erklärt: Der radioaktive Müll aus Kernkraftwerken oder z.B. chemischer und pharmazeutischer Industrie sein nun einmal schon als Tatsache in der Welt und nicht rückgängig zu machen. Die einzige Möglichkeit, sich des strahlenden Mülls mit z.T. aberwitzigen Halbwertzeiten auf Dauer zu entledigen, sei es, diesen Müll endgültig aus dem Nuturkreislauf herauszunehmen, in dem weder Wasser, Luft, noch irgendetwas anderes in der Natur Zirkulierendes je wieder damit in Kontakt kommt. Das Steinsalz (z.B. in Gorleben) ist in den äußeren Schichten gesättigt (man kennt das vereinfacht aus der Chemie: max. gesättigte Salzlösung) und bildet so nach innen hin eine undurchdringliche Barriere.

Das verstand ich vom Prinzip her. Auch habe ich bis auf den heutigen Tag selbst im Kreise unversöhnlicher Endlagergegner kein stichhaltiges oder nachvollziehbares Argument gehört oder gelesen, das dies widerlegt hätte (in den 90er Jahren sorgten die Untertagebohrungen RB012 und RB014 für Aufsehen, weil damit Flüssigkeitseinbrüche einhergingen. Kein Wunder, wenn man den Mantel anbohrt, was wohl auch der Zweck gewesen muss. Die Aufregung war von Missverständnissen geprägt).

Das eigentliche Problem mit Gorleben war ein anderes: Wenn der Atommüll tatsächlich eine akzeptable Entsorgung erfährt, dann schafft dies auch so etwas wie die Rechtfertigung zum Ausbau der Atomenergie. Eine Crux, die zumindest mich in der Familie kritisch bleiben ließ, denn es ließ sich keine Antwort anbieten und auch zu den weiteren Risiken bekam ich durch die Fraktion der Atomkraftbefürworter (z.B. Mitarbeiter DBE, Freunde der Eltern) nie eine echte Antwort. Ob mein Vater allerdings die Atomenergie überhaupt als solche befürwortete, weiß ich bis heute nicht, denn das verriet er nicht. Auch eine Antwort, denn eigentlich war er ja ein Mann des Steinkohlebergbaus.

EINWURF: Heute in 2011 folgende hat sich dieser berühmte Gorleben-Widerspruch nach Fukushima vielleicht von selbst erledigt. Zumindest in Deutschland. – Die Kernenergie ist nicht sicher gegen Katastrophen, Kriege, Terror, Unfälle etc. Die Folgen sind ein jetzt leider vorstellbares Umweltdesaster. Diese Periode der Energiegewinnung wird beendet. Diverse sogenannte regenerative Alternativen stehen bereits zur Verfügung und werden endlich industriell und gesellschaftlich anerkannt in den kommenden Jahren noch einmal einen Schub erfahren.

So gesehen kann man sich Gorleben und weiteren Erkundungen jetzt eigentlich in gesellschaftlichem und politischem Frieden widmen, um dann mit dem letzten Castor/Müllfass eines Tages den Deckel über das Kapitel Atomkraft wirklich zuzumachen.

Wiederstand und Bewegung bildeten sich. Ich war zu jung, um daran teil zu haben, aber ich befand mich als Jugendlicher immer im Umfeld von Älteren (meine Schwester, Studis, mit denen ich mich verstand), deren Akzeptenz ich mit meinem Wesen, oder sagen wir einer gewissen Frühreife, fand und deren Themen mich beeinflussten. Gorleben als kritisch bis heuchlerisch empfundene Rechtfertigung zum weiteren Ausbau der Kernenergie war natürlich darunter. Ironischerweise bestätigten später die politisch-wirtschaftlichen Papiere genau diese Befürchtungen, z.B. die argumentative Schilderung 2009 der Empfehlungsüberlegungen in 1983 für Gorleben und der Suche nach weiteren Standorten.

Ich bin ehrlich. Während meine Eltern sich zunehmend auf die Veränderung vorbereiteten, erlebte ich eine „Null-Bock-Phase“. Ich fiel 1979 nicht überdeutlich, aber doch mit zwei 5en durch die 9. Klasse, obwohl dieses Null-Bock-Ding überhaupt nicht meiner Natur entsprach. Ich wollte nicht durchfallen, aber begriff pubertierend viel zu spät, dass es doch passieren würde. Meine Eltern nahmen es gelassen und mit erstaunlichem Desinteresse hin. Nicht schlimm und kein Problem hieß es. Aber man guckte auch nicht auf das folgende Jahr. Meine dolle Schülertheorie, dass das Wiederholungsjahr mir das Bestehen leicht machen würde, ging von Anfang an nicht auf. Ich war gefangen im inneren Widerstand und den Kriterien des Umfeldes, in dem ich mich alles in allem befand. Minigolf hier, Weltrevolution dort. Nichts korrigierte und leitete mich. Ich wäre in der Schule evtl. wieder gescheitert, aber meine Mutter machte wohl einen Versetzungsdeal aus, wenn ich nach Niedersachsen weggehen würde. So renitent oder widerspenstig war ich schon damals.

Es stellte sich zudem 79/80 heraus, dass ich in der Familie der einzig Betroffene sein würde, der aus allem herausgerissen wird. Meine Schwester studierte und war über ihren frz. Freund heftig mittendrin in der politisch und kulturell linken Szene der Stadt, mein Bruder würde die neuartige FOS besuchen und mit 18 schon eine eigene Wohnung haben.  Ich war der einzige, der in diese fremde ungewollte Welt mitgehen sollte. Ich sperrte mich.

Der Vater war dann seit dem Herbst 79 komplett in Norddeutschland involviert und nahm sich eine kleine Wohnung hin und her. Nur Wochenends noch zu Hause. Am Empfang seines neuen Dienstwagens im Dezember 79, einem metallic-grünen Citroen CX 2.4 GTI, von einem Händler in Saarbrücken ließ er mich in besonderer Weise wohl teilhaben, weil schon klar war, dass das Gorleben Projekt für die Familie allein an meinem Mitmachen hing. Nur wusste ich das nicht. Etwas persönliche Erklärung hätte geholfen.

Meine Eltern mussten auch erst einmal umgehen lernen mit dem neuen Entwicklungssprung.

Der Familienumzug fand im August 1980 statt. Wir zogen zunächst oben in das Fachwerkehaus einer Schaustellefamilie und später – Anfang 1982 – in so eine Art Einfamilienbungalow, der kein Obergeschoß hatte. Beides in Vororten der Kleinstadt Peine, wo die DBE ihren Sitz hatte und auch meine neue Schule lag.

1980 war auch das Jahr, in dem das Thema Gorleben so richtig hochkochte. Auf dem Gelände der Bohrung 1004 (ß komische Bezeichnung) entstand im Mai die freie Republik Wendland als Besetzerdorf, die große mediale Aufmerksamkeit erregte und Anfang Juni zwar aufwendig (Sitzblockade, Hütten, Türme etc.), aber entgegen befürchteter bis öffentlich heraufbeschworener Ängste friedlich geräumt wurde.

Die Bilder mit Gerhard Schröder (damals Juso-Chef) und anderen Promis sind vielleicht einigen noch in Erinnerung. Selbst bin ich der Meinung, dass es in Deutschland vielleicht niemals einen fröhlicheren, produktiveren und künstlerischen Ausdruck von sogenannter Gegenkultur gegeben hat, als diese Freie Republik Wendland. Kunst, Theater, Musik, gespieltes Staatswesen, Versammlung und vor allem Inhalte und Ziele. Die alten Bilder kommen ein bisschen daher wie Woodstock, aber ich denke, es war – obwohl kein Film und keine Platte existiert – irgendwo viel mehr als das. Es war vielleicht so eine Art soziokulturell-politisch-fröhliches-Späthippieereignes.

Später habe ich ca. Ende August oder September mit meinen Eltern eine solche Bohrstelle besucht. Es müsste 2005 gewesen sein. Mein Vater zeigte mir auf Nachfrage im Dickicht von Wald, Rodung und Wegen die Richtung der Republik Wendland, aber darüber wollte er nicht groß reden. Ich meine auch mitbekommen zu haben, dass mit der Bohrung 1004 dann ergebnismäßig nicht viel los war.

Der Ausdruck Bohrstelle kommt nicht ganz hin; Festung oder „Klein DDR“ trifft es eher! – Botonmauer aus Platte mit Türmen und Wasserwerfern drum herum. Außerdem gerodete Ödnis auf hundert Meter oder mehr im Umkreis, damit man eventuelle Angreifer aus dem Wald kommen sah (also, falls „Badewannen“ und solches Zeug über die Mauer geschmissen wurden / die Badewanne wurde tatsächlich als Beweisstück zur Notwendigkeit der Sicherheitsmaßnahmen gezeigt; ich sah sie). Innen so etwas wie eine kleine Kaserne mit Zelten und schwerem militärartigem Gerät, das ich auf einer Bohrstelle sowieso noch nie sah. Natürlich ein schweres Eisentor und bewaffnete Kontrolle. Die eigentliche Bohranlage war nichts Besonderes und im Drumherum des Lagers winzig klein. Ich kannte mich etwas aus, weil ich die Sommerferien über in der ehemaligen Bohrfirma meines Vaters gejobbt hatte. Hier wurde eigentlich nicht so tief und kompliziert gebohrt. Die ausführende Firma war die Preussag AG. Ich erinnere mich, dass ich dachte, diese Sache hätte doch auch „unsere Firma“ machen können. – Kurz, alles hier war ein verwobenes Politikum. Die Preussag z.B. hing wohl an der Salzgitter AG (Stahl etc.), welche zusammen mit der Ruhrkohle, Kraftwerksbetreibern, Energiekonzernen etc. tief in der ganzen Gemengelage rund um die DBE mit drinnen hingen bzw. damit, wer welchen der Ihren im Rennen hatte – Beeindruckend fand ich das Areal der Geologen mit den sorgsam aufgereihten Bohrkernen. Dazu ein regelrechtes Feldlabor zur Untersuchung. Das hatte ich auf noch keiner Bohrstelle so gesehen. Viel später, erst vor ein paar Jahren, erfuhr ich von meinem Vater, dass er diese Geologen für Scharlatane hielt.

Schade, dass sich nicht mehr klären lässt warum. Der aktuellen Gorleben Diskussion würde das ganz sicher nützen, denn es geht sehr stark um geologische Argumente. – Ich sage das aus dem Erleben heraus mit einem Mann, der sein ganzes Leben im Gestein und dem Umgehen damit bzw. seinen Gefahren verbracht hat. Ich sage das als jemand, der gerade dem Vater immer kritisch auch gegenüberstand, aber aus der Erfahrung heraus glaubt, dass dieser niemals Risiken heruntergespielt hätte. Dafür war er viel zu sehr Bergmann.

Später nach "Wendland", also im Grunde sehr bald schon beruhigte sich vieles. Nach den Bohrungen gab es das Gelände für die geplanten Anlagen und natürlich auch die Bürgerinitiativen, Bewegungen vor Ort etc., aber der große Hype war erst einmal vorbei. Viele Menschen wendeten sich in den 2-3 Folgejahren dem Thema Frieden (die großen Demos und Sternmärsche, Krefelder Appell, Menschenketten etc.) und der Eskalation zwischen Ost und West nach dem Nato-Doppelbeschluss zu. Das heißt nicht, dass Gorleben nur eine Mode gewesen wäre, aber in einer so großen Gesellschaft tickt das mit der Aufmerksamkeit nun einmal so.


Mein Vater – ich weiß nicht, ob es wirklich so stimmt – nahm einmal für sich in Anspruch die sogenannten Gorleben-Hearings (eine Frühform des „runden Tisches“) ins Leben gerufen zu haben, welche damals in der Tat viel Zündstoff herausgenommen haben, denn die Gegner konnten mit den Machern diskutieren.

Was er auf jeden Fall aber getan hat, das war diese Einheiten der Bundespolizei von dem Gelände schließlich zu entfernen, in dem schlicht eine einfache Wachgesellschaft für deren Aufgaben engagiert wurde. Ganz schön cool war das! Bis zum Ende seiner Zuständigkeit ist nie wieder etwas dort passiert.



In den 6 Jahren Peine sind meine Eltern niemals wirklich in Norddeutschland angekommen. Sie fühlten sich mit der Mentalität der Menschen dort nicht wohl und es ist in diesen Jahren wohl auch zu viel Belastendes passiert. – Sie waren später froh, das Haus im Saarland nicht verkauft zu haben, worauf meine Mutter wohl bestanden hatte.

Ganz anders ist es mir ergangen. Im Ankommen wie es sich für einen Teenager gehört zunächst sehr widerstrebend, wurden es dann aber rasch überaus prägende und z.T. sehr wilde Jahre, wie man sich das heute bei unseren eigenen Kindern gar nicht mehr so vorstellen kann bzw. die ganze Umwelt natürlich auch eine andere ist. – Ich habe inzwischen an etlichen Orten Deutschlands gelebt und empfinde die gesellschaftliche Gemengelage „dort oben“ noch immer als meine positivste deutsche Erfahrung inkl. dem Ursprung im Saarland.

Die DBE firmierte damals (heute ist im Internet ein schicker Neubaukomplex zu sehen) in einem alten, umgebauten Gebäude der Peine-Salzgitter AG (Stahlwerke etc.). Ihr könnt Euch das heute sicher nicht vorstellen, aber die Sicherheitsneurosen waren damals zum Thema Gorleben unfassbar extrem, was mit der Ost-West-Kälte zusammengehängt haben mochte, aber auch mit dem noch immer präsenten Thema RAF. Die Firma, mein Vater, seine Vorstandskollegen galten als mögliches Terrorziel. „Umgebaut“ heißt also kugel- und angriffssicher. Nicht nur, dass die Fenster und alles kugelsicher waren, man kam auch nur über eine hermetisch und bombensicher abgeriegelte Schleuse in das Gebäude hinein. Darin lieferte ich mir als Sohn des Chefs mehr als nur ein freches Wortgefecht.

Ich kannte einige Mitarbeiter. Über Familienkanäle, öffentliche Gelegenheiten, zu denen man mitmusste, auch solche, die der Vater aus dem Saarland mitgebracht hatte und mich z.B. bei Heimfahrten auch einmal mitnahmen. Der für Versicherungen und Rechtsdinge zuständige Mensch versicherte mein Moped ziemlich preisgünstig und war irgendwie mit dem jetzigen Papst verwandt, wenn ich nicht ganz irre. Ich besuchte ihn aufgrund verschiedener Umstände öfter. Ein netter Mensch.

So sicher die Firma auch war, so normal war wiederum z.B. das Auto von meinem Vater (jener Citroen, alle anderen hatten natürlich einen dicken Daimler) und auch unsere Wohnung. Das hielt den lieben Staat aber nicht davon ab, in der Anfangszeit zwei Beamte ganz unauffällig in einem Fahrzeug vor dem Haus einzusetzen. Die sind einem dann schon einmal in die Schule oder bei der ein oder anderen Unternehmung gefolgt. Sehr witzig und ganz bestimmt sicherheitsrelevant. Als es im Herbst kälter wurde, brachte ich einmal einen Pot Kaffee raus und lud süffisant zu Gebäck ein. Na ja, da waren diese Menschen halt humorlos oder an ihre Dienstanweisung gebunden.

Mein Vater wurde mehrfach auf Aktivitäten von mir angesprochen oder mit entsprechenden Berichten beglückt, die sich mit familiären Widersprüchen befassten. Kontakte, Demos, Ostberlin, Kommunisten, alles Mögliche. Darauf reagierte er gelassen und schränkte mich auch nicht ein. Ich wünschte, es wäre so auch um unser inneres Verhältnis bestellt gewesen.

1981 wurde der 50ste Geburtstag des Vaters zum Anlass für ein öffentliches PR Ereignis genommen. Die DBE war soweit gewissermaßen aus dem geheimen Schatten des Gorleben – Geschehens herauszutreten und in Grenzen bekannt gemacht zu werden, obwohl es bis auf den heutigen Tag hier eine gewisse Zurückhaltung zu geben scheint. Wirtschaftsgäste, Vertreter der Bundesregierung, Glückwunschtelegramme und Laudationen, familiäre Gratulationsreihe, das ganze Programm eben. – DAS PROBLEM DABEI: ICH! Konnte ich mich benehmen? Wäre ich vorzeigbar? Würde es einen Eklat geben? Mein Vater bekam tatsächlich im Vorfeld Druck gemacht wegen mir und er und ich Streit darüber. Ich hätte ja ganz wegbleiben können, aber das ging offensichtlich auch nicht, weil die Familie zu dem PR Ding gehörte. Ich entschied mich bewusst für Jeans, Lederjacke bzw. auch gegen den geforderten Haarschnitt, benahm mich auf der Veranstaltung aber ausgesucht höflich. Aus meiner Sicht noch heute richtig, denn ich war die Person, die ich nun einmal war und keine Marionette.

Später an diesem Tag machte mich zu Hause ein lebenslanger Förderer und Freund meines Vaters, den er rückhaltlos bewunderte, genau deswegen auf das Übelste an. Wir wurden in der Einordnung dieses Menschen nie wieder einer Meinung.

In dem gerade zurückliegenden Untersuchungsausschuss (2010) wurde kritisch viel über die damals nach den Bohrungen 1982 erfolgte vorläufige „Rahmenbetriebserlaubnis“ nach altem Bergrecht gesprochen, also dem Recht, bei dem es in erster Linie um die Erkundung von Rohstoffen geht. Das sei im Fall von Gorleben ja nicht der Fall gewesen und damit schon einmal nicht rechtens. – Ich erinnere mich an die Situation dieser „Betriebserlaubnis“. Das ging definitiv auf meinen Vater zurück und war nichts anderes als ein Rechtskniff, um zunächst überhaupt weiter machen zu können (mit dem aktuellen Bergrecht, das allerdings nichts mit Gorleben zu tun hatte, ging das nicht, was ich hier leider ohne Recherche nicht erklären kann). Er wusste dies und plante es zu korrigieren, sobald die Möglichkeit dazu bestehen würde. Er sah sich in der Verantwortung die Erkundung weiterzuführen. Das war und ist kein Gorleben-Rechtsskandal, so wie es teilweise dargestellt wird. Richtig oder falsch, so nahm ich es zu Hause war und habe – kritisch wie ich bin – in den vergangenen 30 Jahren keinen Grund gefunden etwas anderes anzunehmen.

Der Regierungswechsel im Herbst 1982 brachte eine komplette Zäsur. Mein Eindruck noch heute ist, dass von da an für meinen Vater alles mehr oder weniger schief lief und sich auch für alle übrigen Beteiligten (Geologen, PTB etc.) wohl einiges änderte. Er zumindest konnte nicht gut mit den neuen Beamten (Partnern) aus Bonn und meine Vermutung ist, dass alles noch einmal mühsam von vorn erklärt werden musste bzw. immer auch die Unterstellung im Spiel war eigentlich für die Vorgängerregierung loyal tätig zu sein. Mit diesem neuen Umstand kam mein Vater nicht wirklich gut zurecht und machte sich wahrscheinlich nicht mehr viele berufliche Freunde.

Der geplante Erkundungsbericht bekam nun 1983 eine ganz neue Bedeutung und wurde regelrecht existenzentscheidend. Er war zu Hause monatelang ein Thema, was nach der deutlichen Bestätigung von Schwarz-Gelb im März 83 noch einmal eine besondere Rolle spielte. - Für die DBE und auch familiär hing alles an diesem Bericht. Die Politik würde anhand dessen entscheiden, ob es nach den Erkundungsbohrungen mit einer Schachtabtäufung weitergehen würde oder nicht. Und dazu war da auch noch der Punkt sehr offen, ob es dann überhaupt mit meinem Vater verantwortlich weitergehen würde oder eben auch nicht. Die Nervosität war sehr groß, ... und als ein überlebensgroßer "Atomkraft-Nein-Danke-Aufkleber" auf einen VW Bus kam, den ich in unserer Garage mit Freunden für einen Urlaub zusammenschraubte, fühlte mein Vater sich provoziert. Ich kann das aus heutiger Sicht verstehen, aber es hatte mit seiner Situation nichts zu tun, sondern war nur die Aktion, die ein Freund von mir für witzig hielt. Anders verhielt es sich mit dem Biemannsong "Gorleben soll leben"; den brauchte man nur laut abzuspielen, um den Vater auf die Palme zu bringen. Wie Kids eben so sind, passierte das schon hin und wieder einmal ...

Meine Erinnerung besagt, dass der Bericht irgendwann wohl im Juni 83 von der Politik ein "Go" bekam, was gefeiert wurde. Von dem Vater sind regelrecht Bauklötze herunter gefallen. Ich sah ihn selten so erleichtert und gelöst. - Seine persönlichen Probleme mit Beteiligten aus Aufsichtsrat und Politik löste es aber nur teilweise. Irgendwann im Spätsommer 83 gab es einen Vertragsdeal über weitere 2,5 Jahre mit anschließender Rückkehr zur Saarberg AG bis zur Pensionsuntergrenze. Diese Möglichkeit hatte er sich schon bei seinem Wechsel in den Vertrag schreiben lassen, wofür er im Angesicht der Schwierigkeiten diesen Job zu machen sehr glücklich war, wie er später betonte. Er arrangierte sich in den verbleibenden Jahren bis März/April 86 im der Lösung, aber zufrieden damit war er natürlich nicht. So wirklich sehr viel in der Sache bewegte sich in diesen Jahren auch nicht mehr. Unser Binnenverhältnis in dieser Zeit war eher schlecht als Na Ja. Trotzdem finanzierte er mir eine Wohnung und löste mich durch Vergleich bei Gericht in einer sehr obskuren Betäubungsmittelgeschichte (ich war A völlig unschuldig und wollte B mir das nicht gefallen lassen / andere Themengeschichte) aus, als ein Amtsrichter vehement nach Knast rief, der gewiss auch gut in die zwölf 1000 Jahre gepasst hätte oder sogar hat. Von meinem erfolgreichen Abitur erfuhr er trotzdem erst von Kollegen, die es in der Zeitung gelesen hatten. - Während der Phase des Ausscheidens aus dem Gorlebenprojekt und des Rückzugs ins Saarland war er sehr ambivalent, mal so und mal so. Schon verständlich.

DER BERICHT

Die PTB (Physikalisch-Technische-Bundesanstalt / dort befindet sich z.B. die Atomuhr, welche unsere Funkuhren steuert, deren Signal aus Frankfurt kommt) bei Braunschweig war damals so etwas wie eine der Gorlebenerkundung beigeordnete Aufsichtsbehörde. Eigentlich sinnvoll, um sich nicht nur auf die an der Unternehmung beteiligten Firmen verlassen zu müssen, aus denen die DBE gebildet worden war. - In 2009 aber war ich schon sehr verwundert, dass dieser Bericht federführend aus der PTB gekommen sein soll. Es waren doch ganz andere bzw. die DBE, welche federführend die Erkundung durchführte; außerdem war der Vater nicht nur in Richtung Gorleben, sondern auch ständig in Bonn unterwegs, um zu berichten und abzustimmen. Ich nahm die PTB damals nicht als in dieser Weise maßgebend wahr, sondern eher als begleitend. Der Vater war prinzipiell positiv auf diese Organisation zu sprechen. Ab und an gab es wohl auch mal Differenzen, aber die erschienen mir nie essentiell.

Heute bin ich mir da nicht mehr so sicher. Die PTB wird im Ausschuss und den Berichten dazu als eindeutig verantwortlich benannt. Zudem geben alte Bohrberichte der Preussag die PTB als Auftraggeber an, was mich in gewisser Weise verwundert hat. Wozu dann überhaupt diese DBE? - Man kann den Eindruck gewinnen, dass Verantwortungen mitunter unklar blieben, so dass da möglicherweise viele Köche an demselben Gericht herumkochten. 

Bei meinen Recherchen ist noch weiteres im Rheinland angesiedeltes Unternehmen aufgetaucht, das im Zuge der Entsorgungsproblematik offenbar parallel zur DBE gegründet worden war. "GNS - Gesellschaft für Nuklear Service". Von denen hatte ich nun noch nie gehört. Trotzdem erklärt man sich dort für die Entsorgung in Zusammenhang mit Gorleben zuständig. - Nach etwas Verwirrung und Recherche habe ich inzwischen verstanden, dass es sich um in erster Linie logistische Aufgaben handeln muss, also z.B. die Castortransporte Zwischenlager etc. Ein Bindeglied, das zur Zeit jenes Berichtes noch keine Rolle dort spielte.

Vielleicht ist das alles ein nach schlappen 30 Jahren schon öffentlich vorhandenes Unwissen zur Zeitgeschichte, denn z.B. der grüne Ausschussbericht zeigt deutlich, dass die Verfasser nicht dabei waren, sondern abhandeln, was in dem Ausschuss kolportiert wurde. Vielleicht habe ich aber auch die Rolle und Aufgabe der DBE als solche missverstanden. Ich weiß es gerade nicht mehr.

Grundsätzlich galt und gilt wohl bis heute, dass das Unternehmen öffentlich nicht bedeutend auftritt. Damals hatte das mit Sicherheitsding zu tun. Ob das noch immer gilt, weiß ich nicht.

Wie dem auch sei, die sachlichen Kerninhalte dieses Berichts müssen einfach von der DBE stammen, und damit wenigstens koordinierend aus dem Büro meines Vaters (ein Schreiberling war er wirklich nicht). Dazu das Material von Wissenschaftlern und Gutachtern. - Helmut Röthemeyer, der Verantwortliche bei der PTB, kann eigentlich nicht der Verfasser gewesen sein, sondern höchstens Jemand dazu Kommentierendes, Empfehlendes und/oder Einreichendes.

Die Aussage, dass durch die neue Regierung manipulierender Druck gemacht wurde, passt natürlich zu meiner Erinnerung. Das Treffen am 11. Mai 83 in Hannover hat auch bei mir zu Hause Eindruck gemacht: Ich wundere mich nur darüber, dass mein Vater sehr konkret von der Befürchtung ausging, dass die Endlagererkundung nun wirklich vorbei sein könnte. Es muss diese konkrete Drohung gegeben haben! Herr Röthemeyer aber spricht "nur" von der als Weisung verstandenen Information, ganze Passagen zu noch möglichen Risiken zu löschen und die Empfehlungen dahingehend zu ändern, dass nicht auch nach Alternativstandorten gesucht werden soll.

War die neue Regierung sich etwa politisch nicht sicher, das Projekt in den eigenen Reihen durchzubekommen? Eigentlich kaum vorstellbar, denn das damalige CDU Land Niedersachsen hatte ein sehr vitales Interesse. Ein Rivalitäts- und Machtdings zwischen Kohl und Albrecht? Wer weiß, vielleicht.

Mein Vater jedenfalls glaubte aufgrund seines Wissens Zeit seines Lebens, dass die Endlagerung in diesem Salzstock möglich wäre. Warum, frage ich, hätte er eine solche Angst haben müssen vor dem Verhalten der neuen Regierung, wenn diese doch so sehr mit sogar manipulativen Mitteln auf die Fortführung des Projektes aus gewesen ist? Das passt wiederum nicht zu meiner Erinnerung!

Der Untersuchungsausschuss des Bundestages in 2010 hat die tatsächlichen Vorgänge damals jedenfalls mitnichten geklärt. Das scheint mir sicher!
Zu viele Fragen bleiben offen:

Wer war namentlich anwesend in Hannover an diesem 11. Mai 1983?

Wer zeichnet verantwortlich für den Erkundungsbericht zum Endlager Gorleben 1983? Ganz konkret unterzeichnend mit Namen?

Wer übte namentlich in welcher Funktion und vor welchem Hintergrund Druck auf Herrn Röthemeyer und/oder andere aus?

Warum überhaupt gab es offenbar auf allen Seiten ein Problem mit dem möglichen Ergebnis dieses Berichts? - Nicht nur Herr Röthemeyer und Herr Illi von der PTB hätten im Ausschuss gehört werden müssen, sondern seinerzeit damit befasste Politiker und Beamte in den Bonner-Ministerien.

Mein Vater - leider - konnte sich nicht mehr äußern. Er war im September 2009 schon unheilbar krank und verstarb am 5. Oktober. Das hätte ihn interessiert. Ganz bestimmt hätte er einiges über den Vorgang zu sagen gehabt; ... obwohl er schon vor langer Zeit für sich beschloss, nichts mehr über Gorleben preiszugeben.

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Während ich meinen Eltern zum Rückzug ins Saarland beim Renovieren half, stieß ich auf einen hohen Kistenstapel mit Gorleben-Unterlagen. Ich blätterte ein wenig darin und sagte zu meinem, dass man solche Dokumente doch bestimmt nicht einfach mitnehmen könne. Seine trockene Antwort: "Das ist zu unserer Sicherheit".

P.S. Diese Unterlagen übrigens existieren nicht mehr. Nachdem er sich sicher war, dass da nichts mehr kommt und es keinen weiteren Nachgang geben würde, hat sie schon vor langer Zeit - korrekt wie er war - vernichtet und die Akte Gorleben geschlossen.

Im Grunde schade, denn die Vermutung ist nicht so weit hergeholt, dass sich darunter die Wahrheit zu dieser nicht aufgelösten Geschichte befunden haben wird.

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